Wenn es um die Entwicklung und das Wohlergehen des Kindes geht, steht im westlichen Denken nach wie vor die Mutter im Mittelpunkt. Der Vater war in der wissenschaftlichen Debatte lange Zeit kein Thema. Harald Werneck, Entwicklungspsychologe an der Universität Wien war einer der Ersten, der sich im Rahmen seiner Dissertation mit der Rolle des Vaters beschäftigt hat.
Das war Mitte der 90er-Jahre. "Damals gab es in Österreich praktisch keine Väterforschung, nur ab und zu Einzelarbeiten, meist von Betroffenen", betont Werneck. Das Bild hat sich inzwischen geändert. In Deutschland und Österreich befasst sich die Wissenschaft seit den 2000er-Jahren systematischer mit den Rollen und Aufgaben von Vätern.
Wichtige Ergänzung
Damit hat sich auch die Erkenntnis durchgesetzt, dass Väter sehr wohl einen besonderen Beitrag zur Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder leisten. "Väter machen – im Durchschnitt – manches anders als Mütter. Sie bevorzugen oft andere Spiele, spielen in einer anderen Art und Weise, typischerweise körperbetonter und für das Kind unvorhersehbarer, sie pflegen oft auch einen anderen Stil in der Kommunikation und Interaktion, meistens weniger sprach- und mehr handlungsorientiert, weniger emotional, eher sachorientiert," erklärt Werneck, "für Kinder kann das eine wichtige Ergänzung zum Mütterlichen sein."
Wichtige Phase
Ein Kind profitiert vor allem von einem emotional verfügbaren Vater, der sich auf seinen Nachwuchs einlässt. "So ein Vater erhöht für sein Kind in jedem Fall die Wahrscheinlichkeit, sich gut entwickeln und wohlfühlen zu können", betont der Entwicklungspsychologe.
Wichtig ist ein aktiver und engagierter Vater von Geburt an, sind sich die Forscher einig. Und doch gibt es Phasen, wo Väter eine besondere Bedeutung für ihre Kinder haben. "Wie zum Beispiel bei der Geburt eines jüngeren Geschwisters, in der Pubertät oder auch im jungen Erwachsenenalter", zählt Werneck auf.
Die Torwächterin
Doch auch die Mutter kann die Rolle des Vaters beeinflussen - das konnte inzwischen mehrfach nachgewiesen werden. "Die Wissenschaft bezeichnet das als sogenannten "Gate-keeping"-Effekt. Demnach können Mütter in einem relativ hohen Ausmaß beeinflussen, wie Väter ihre Rolle ausgestalten", so der Wissenschaftler. Umgekehrt sei das allerdings nicht der Fall. "Die Mutter-Kind-Beziehung ist sehr autonom und kaum beeinflussbar durch den Kindesvater", sagt Werneck.