Die Landgericht Duisburg hat eine Anklage im Strafverfahren um die Loveparade-Katastrophe nicht zugelassen. Die Eröffnung des Hauptverfahrens wurde abgelehnt, teilte das Gericht am Dienstag mit. Gegen die zehn Angeklagten bestehe "kein hinreichender Tatverdacht", befand die Strafkammer.
Die Vorwürfe der Anklage könnten mit den vorgelegten Beweismitteln nicht bewiesen werden. Eine Verurteilung der Angeklagten sei deshalb nicht zu erwarten. Die zuständigen Richter hätten vor allem mit einem Gutachten des britischen Panikforschers Keith Still Probleme gehabt. Dieses Gutachten ist ein zentrales Beweismittel der Staatsanwaltschaft.
Diese hat nun sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichts eingelegt: "Die Entscheidung des Landgerichts Duisburg, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen, ist aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht nachvollziehbar und rechtsfehlerhaft", teilte die Anklagebehörde mit.
Zwei Jahre ermittelt
Wegen der Tragödie mit 21 Toten und hunderten Verletzten am 24. Juli 2010 hatte die Staatsanwaltschaft vor gut zwei Jahren Anklage gegen sechs Bedienstete der Stadt Duisburg und vier Mitarbeiter der Loveparde-Veranstalterfirma erhoben. Ihnen wurden fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen.
Die Ermittlungen zu der Katastrophe gestalteten sich wegen der komplexen Vorgänge, die zu dem Massengedränge führten, von Anfang an sehr schwierig. Das Unglück in der Ruhrgebietsstadt hatte weltweit Entsetzen ausgelöst. Bei der Technoparade war ein tödliches Gedränge am Zugangsbereich des Geländes entstanden.
"Die Tragödie lässt niemanden kalt", sagte der Präsident des Landgerichts, Ulf-Thomas Bender, bei der Pressekonferenz, bei der er die Entscheidung der Kammer erläuterte. Die Richter müssten dabei aber von äußeren Einflüssen frei entscheiden und seien lediglich an das Gesetz gebunden. "Sie dürfen sich auch nicht von den Emotionen der Betroffenen und den Erwartungen der Öffentlichkeit leiten lassen", betonte Bender.
Insgesamt wäre für einen Verurteilung entscheidend, dass die den zehn Angeklagten zur Last gelegten Planungs- und Genehmigungsfehler ursächlich für die Tragödie waren. Die Richter bezweifeln aber zusätzlich auch die von den Staatsanwälten dazu aufgestellten Kausalitätserwägungen. Es gebe durchaus noch andere mögliche Unglücksursachen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt hinzugekommen sein könnten, teilten sie weiter mit.
"Ich fühle mich retraumatisiert"
Ein Vater, der bei der Loveparade-Katastrophe vor fast sechs Jahren seine Tochter verlor, hat sich bestürzt über die Entscheidung des Landgerichts Duisburgs gegen einen Strafprozess um das Unglück gezeigt. "Ich fühle mich retraumatisiert, das wirft mich einfach wieder auf den Stand der Dinge von 2010 zurück", sagte Manfred Reißaus am Dienstag.
"Es hat uns aufgebaut, dass wir gewartet haben als Eltern, dass mal eine Verhandlung stattfindet." Jetzt hätten er und viele andere Betroffene ihr Vertrauen in die Behörden komplett verloren.
"Bankrotterklärung der Justiz"
Auch der Nebenklageanwalt Gerhart Baum, dessen Kanzlei zahlreiche Hinterbliebene des Unglücks vertritt, kritisierte die Entscheidung scharf. "Die Beweislage hätte eine strafrechtliche Klärung dringend erfordert", teilte der frühere Bundesinnenminister in Düsseldorf mit. Dass die Anklage nach sechsjährigen Ermittlungen nicht zugelassen werden solle, sei eine "Bankrotterklärung der Justiz". Den Betroffenen fehle dafür jedes Verständnis. Die Nebenklage prüfe nun "sämtliche Rechtsmittel".
Der Verteidiger eines der angeklagten Mitarbeiter des Veranstalters warb hingegen für Verständnis. Das Gutachten könne die von der Anklage angenommenen Pflichtverletzungen nicht tragfähig belegen. Die Entscheidung belege den Wert einer unabhängigen Justiz. "Mit einem Prozess wäre niemandem geholfen", erklärte Anwalt Volker Römermann. Die Katastrophe sei für alle Beteiligten eine Tragödie. "Wir brauchen nicht auch noch Angeschuldigte, die Opfer einer aus dem Ruder gelaufenen Staatsanwaltschaft werden."