Die Medien in Serbien überschlagen sich förmlich: "Horror: Thaci entnimmt Organe in Afrika", schreibt die größte Zeitung "Blic" am Donnerstag in Belgrad. "Thaci handelt auch heute mit Organen", titelt das Boulevardblatt "Informer". Und über dem Artikel der Regierungszeitung "Novosti" prangt die Überschrift "In Nigeria hat er die Organe entführter Serben verkauft".
Nicht zum ersten Mal sieht sich Hashim Thaci, langjähriger Regierungschef und heutiger Außenminister des Kosovo, Vorwürfen des Organhandels ausgesetzt, die er stets bestritt. Zu den neuen Horrorberichten äußerte er sich zunächst nicht - Zweifel sind aber angebracht.
Thaci, einer der schillerndsten Politiker in Südosteuropa, als ein Drahtzieher der internationalen Organ-Mafia? Der serbische Staatsanwalt für Kriegsverbrechen hält die Vorwürfe, über die auch in Nigeria berichtet wurde, jedenfalls für so stichhaltig, dass er ein Rechtshilfeersuchen nach Afrika schicken will. Denn Kronzeuge der serbischen Medien ist der nigerianische Arzt Philip Njemanze, mit dem sie am Vortag gesprochen haben wollen. Der 54-Jährige wird als renommierter Mediziner mit großer Auslandserfahrung vorgestellt.
Was Thaci vergeworfen wird
Die ungeheuren Beschuldigungen in Kürze: Der Gouverneur des südnigerianischen Teilstaates Imo, Rochas Okorocha, habe in den letzten Jahren mehr als ein Dutzend Krankenhäuser errichten lassen, in denen die kriminellen Taten stattfinden. Die Organe seien dann auch in Europa verkauft worden - mit Thaci als Mittelsmann.
Schon früher war der einstige Rebellenführer immer wieder als eine der ganz großen Nummern in der Organisierten Kriminalität im Kosovo genannt worden. Waffen, Drogen, Menschenschmuggel lauteten die Stichworte.
Doch die neuen Vorwürfe des schwunghaften Organhandels werden sogar von seinen Kritikern bezweifelt. Denn im Kosovo, der einst serbische Provinz war und sich 2008 für unabhängig erklärte, agieren seit eineinhalb Jahrzehnten internationale Experten wie die EU-Rechtsstaatsmission EULEX, Tausende Soldaten von der NATO-geführten Schutztruppe KFOR sowie parallel eine UNO-Verwaltung. Auch gibt es Hunderte ausländische Diplomaten einschließlich Geheimdienstvertretern ihrer Länder. Und die haben alle nichts bemerkt?
Und doch spielt das ganze vor einem realen Hintergrund. Erst im letzten Monat hatte die niederländische Regierung die Gründung eines von der EU finanzierten internationalen Gerichts bekannt gegeben, das noch in diesem Jahr seine Arbeit aufnehmen soll. Seine Aufgabe: Den Vorwürfen nachzugehen, Thaci sei Ende der 90er-Jahre in Organhandel verstrickt gewesen.
Blicke ruhen auf Den Haag
Nach einem Bericht des Europarates sollen Hunderten Serben und Roma damals im benachbarten Nordalbanien Organe entnommen worden sein. Immer wieder wurde dabei der Name von Thaci als Organisator dieses Verbrechens genannt. Der hatte das aber immer wieder strikt bestritten. Und doch wird erwartet, dass das neue Gericht in Den Haag auch Thaci vorladen wird.
Der will sich unbedingt möglichst noch in diesem Monat zum Staatspräsidenten wählen lassen. Dadurch erhielte er Immunität vor Strafverfolgung. Allerdings soll das neue Gericht nach seiner geplanten Satzung selbst höchste politische Amtsträger verfolgen dürfen.