Die Luft in Indiens Hauptstadt zu atmen, sei grausam, sagte ein Richter am High Court in Neu Delhi Anfang des Monats. Kurz zuvor hatte bereits Indiens oberster Verfassungsrichter H. L. Dattu bemerkt, sein Enkel sehe aus wie ein Ninja-Kämpfer, weil er eine Atemmaske trage. Und die Regierung erklärte, "die Luftverschmutzung droht, unser Delhi zu zerstören".

Neu Delhi ist eine der Städte mit der giftigsten Luft der Welt - jahrelang wurde dieses Problem allerdings ignoriert. Plötzlich aber scheint die 17-Millionen-Metropole die dicke weiße Suppe zu bemerken. In der U-Bahn wie am Mittagstisch im Büro fliegen die Fragen nur so umher: Welcher Luftfilter ist am besten? Können Pflanzen die Luft im Haus reinigen? Ist es gesünder, joggen zu gehen, oder wird der positive Effekt des Sports durch den Smog zunichtegemacht?

Öffentlicher Aufschrei

Getrieben von einem öffentlichen Aufschrei reagierte die Landesregierung. Ab 1. Jänner gelten für eine zweiwöchige Probephase weitreichende Fahrverbote. Abwechselnd dürfen nur Autos mit geradem und ungeradem Nummernschild auf die Straße. Lastwagen können nur noch nach 23.00 Uhr in die Stadt. Zwei Kohlekraftwerke werden abgeschaltet. Hohe Strafen gibt es für Menschen, die Müll offen verbrennen. Reinigungsfahrzeuge saugen den Staub von den Straßen.

Varun Sharma glaubt aber nicht, dass diese Maßnahmen die Luft schnell säubern können. "Es kommen jeden Tag neue Autos auf die Straße, die Verbote helfen also nur kurzfristig", meint er. Der 29-Jährige arbeitet auf einem Frachtschiff auf hoher See. "Jedes Mal, wenn ich nach Neu Delhi zurückkomme, huste ich und die Nasennebenhöhlen entzünden sich. Das ruiniert meinen ganzen Urlaub", sagt er.

Sharma möchte nicht nur aus Neu Delhi, sondern gleich aus Indien weg. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam 2014 zu dem Ergebnis, dass 13 der 20 Städte mit der höchsten Konzentration an Feinstaub in Indien liegen. "An Orten mit solcher Luftverschmutzung will ich meine Kinder nicht großziehen", sagt er. Eine Studie des indischen Umweltministeriums fand heraus, dass Kinder in Neu Delhi doppelt so häufig an Atemwegserkrankungen leiden wie Kinder auf dem Land. 43 Prozent der Stadtkinder hatten eine reduzierte Lungenfunktion.

Feinstaubmessungen

An sieben Stationen in Neu Delhi wird nun der gefährliche Feinstaub gemessen. Besondere Beachtung finden die ultrafeinen Teilchen mit weniger als 2,5 Mikrometer Durchmesser (PM2,5), die sich tief in den Bronchien und Lungenbläschen festsetzen oder sogar ins Blut übergehen können. Sie können das Immunsystem schwächen, Herzerkrankungen auslösen sowie Krebs erregen.

Die WHO empfiehlt im Tagesdurchschnitt nicht mehr als 25 Mikrogramm pro Kubikmeter, die Europäische Union legte einen Grenzwert von 50 fest. In Neu Delhi liefen gerade Tausende Menschen einen Halbmarathon, während der Wert bei über 500 lag. Am schlimmsten betroffen aber sind Verkehrspolizisten, Straßenhändler oder Fahrer, die täglich zehn Stunden unterwegs sind. "Wenn ich morgens huste, kommt immer schwarzes Zeug raus", sagt der 53 Jahre alte Rikscha-Fahrer Rishipal Sharma.

"Ich fürchte, dass wir später alle krank sind", meint die 25-jährige Kriti Gupta. Sie trägt eine Atemschutzmaske, lüftet das Haus nicht mehr und weigert sich trotz Bitten ihrer Familie, selbst mit dem Auto zu fahren. "Aber wir müssen alle mehr machen, es ist doch gerade die Luft, die wir uns alle teilen", meint sie.

Öfen und Kochstellen für Arme

Neben Zulassungsbeschränkungen für Autos wünscht Gupta sich etwa innovative Ideen für Öfen und Kochstellen für die armen Menschen. Tatsächlich brennen im Winter in Neu Delhi Tausende Feuer, an denen sich die Menschen die Hände wärmen. Weitere Quellen für die Luftverschmutzung sind die Ziegeleien am Stadtrand, das Verbrennen von Stroh auf den umliegenden Feldern, Sand aus den Wüsten sowie Staub von den unzähligen offenen Baustellen.

Das Zentrum für Wissenschaft und Umwelt (CSE) in Neu Delhi ärgert sich auch, dass Roller und Motorräder von den Fahrverboten ausgenommen sind. Denn rund zwei Drittel der 8,5 Millionen Fahrzeuge in der Stadt sind Zweiräder. Außerdem müsse jetzt unbedingt das Bussystem ausgebaut werden, fordert CSE-Geschäftsführerin Anumita Roy Chowdhury. "Jede Stunde stirbt mindestens eine Person durch Krankheiten, die auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind."