Auf sogenannten Blutfarmen in Südamerika wird nach Informationen von Tierschützern trächtigen Stuten literweise Blut abgenommen, um das Hormon PMSG (Pregnant Mare Serum Gonadotropin) zu gewinnen. Pharmakonzerne in Europa produzieren daraus Präparate, welche die Ferkelzucht noch effektiver machen können - und verdienen damit Millionen.
Die Animal Welfare Foundation und der Tierschutzbund Zürich sind Hinweisen nachgegangen, wonach Stuten in Argentinien und Uruguay zu Zehntausenden gequält und getötet werden. Aus diesen Recherchen entstand ein 20 Seiten langer Bericht und ein Kurzfilm, der das gut versteckte Leid der Stuten dokumentiert.
Dabei ist zu sehen, wie die Tiere auf einer dieser Blutfarmen der Firma Syntex geschlagen und getreten werden - bevor und nachdem ihnen große Mengen Blut abgenommen wurden. Die Pferde sind nach dem Aderlass oftmals derart entkräftet, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten können. Nach dieser qualvollen Prozedur sind die Tiere sich selbst überlassen - bis zur nächsten Blutabnahme.
Fohlen sind auf diesen Farmen offenbar nicht zu sehen. Sofern die Föten in den ausgelaugten Körpern der Stuten nicht von selbst absterben, wird meist abgetrieben. Ein Eingriff, der laut York Ditfurth vom Tierschutzbund Zürich händisch vorgenommen wird - ohne Betäubung.
Millionengeschäfte im rechtlichen Graubereich
Der führende Anbieter von PSMG ist die Firma Syntex, die viele Farmen in Südamerika betreibt. Wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen ist das Geschäft mit dem Pferdeblut kaum reglementiert. Damit sind auch den lokalen Behörden die Hände gebunden. "Die Polizei würde durchaus gegen diese Missstände vorgehen, aber es gibt keine Handhabe", erzählt Ditfurth.
100 Gramm des aus dem Blutplasma gewonnenen Extrakts kosten rund 900.000 US-Dollar. Ditfurth rechnet vor: "Syntex hat nach unseren Informationen im Jahr 2014 PMSG-Pulver im Wert von 30 Millionen Dollar exportiert. Pharma-Konzerne machen daraus Mittel im Wert von 120 bis 130 Millionen Dollar." Syntex ist der größte, aber nicht der einzige PMSG-Lieferant.
Bei Syntex distanziert man sich von den dokumentierten Praktiken auf den Farmen und erklärt, man stelle Grundstoffe für medizinische Präparate her, die dem Wohlergehen der Tiere dienen. Hingewiesen auf die Szenen, die Ditfurth und sein Team gefilmt haben, verspricht man genauere Kontrollen, stellt den Missbrauch aber als Einzelfall dar und bezeichnet das Vorgehen der Tierschützer als boshaft und heimtückisch.
Der Weg nach Europa
In Europa gibt es eine Reihe von Pharma-Unternehmen, die PMSG-Präparate anbieten, wie etwa MSD Tiergesundheit, Ceva, Hipra oder IDT Biologika. Der Bitte um eine Stellungnahme zu dem Blutfarmen-Skandal in Südamerika ist kaum jemand nachgekommen. Bei MSD Tiergesundheit bedauert man die Zustände in einem Antwortschreiben und kündigt Untersuchungen an. Man verlange ohnehin von allen Lieferanten, "die (...) geltenden Auflagen und behördlichen Vorschriften einzuhalten." Sollten die Tierschutzstandards verletzt werden, würden "entsprechende Verträge aufgelöst."
Ditfurth entgegnet: "Dieser Standardbrief zeigt entweder Unwissen oder bewusste Lüge. In Uruguay gibt es keine gesetzlichen Vorschriften, das wurde uns seitens des Agrarministeriums und der Nationalen Ethikkommission bestätigt." Zudem habe MSD in Schweizer Medien zugegeben, dass sie PMSG aus Uruguay beziehen. "Und Syntex Uruguay hat nicht einmal eine Zulassung für die EU."
Die Konsumenten sind gefragt
Die meisten PMSG-Erzeugnisse sind auch in Österreich zugelassen. Zum Einsatz kommt in Österreich laut Tierarzt Wolfgang Schafzahl hauptsächlich das Präparat PG 600 von Intervet: "Das verwenden wir seit 30 Jahren. Wenn der Zyklus bei den Tieren gestört ist, optimiert man halt. Das ist so in der Nutztierhaltung." Der Schweine-Spezialist gibt an, dass das Hormonpräparat nur bei etwa fünf Prozent der jungen Sauen in Österreich eingesetzt würde. In der Schweiz spricht man von zehn bis 20 Prozent, in Deutschland soll PMSG deutlich breiter zum Einsatz kommen. Offizielle Zahlen gibt es nicht, weil der Einsatz von PMSG nicht dokumentiert werden muss. "Das sind nur Eiweiß-Bausteine, der Einsatz ist unbedenklich."
Von den Bedingungen in Südamerika wußte der Tierarzt bislang nichts: "Diese tierquälerischen Produktionsmethoden, falls sie der Wahrheit entsprechen, sind strikt abzulehnen." Zugleich fordert Schafzahl eine differenzierte Darstellung der Sachlage ein. Das Präparat komme nicht nur bei Schweinen zum Einsatz. Zudem sind die Bauern enormem Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Hier seien vor allem die Konsumenten gefragt. Wer nur zum billigsten Produkt greift, zwingt damit die Landwirte, alle legalen Optimierungsmaßnahmen auszuschöpfen, um wirtschaftlich überleben zu können.
Schafzahl weiter: "Ob wir Menschen dies so wollen, ist eine ethische Grundsatzfrage unserer gegenwärtigen Mensch-Tierbeziehung. Völlig außer Frage steht für mich aber, dass die Haltung von Tieren (...) art- und tierschutzgerecht zu sein hat, was von der Pharmaindustrie erwartet werden darf."
Großes Echo
In der Schweiz haben mittlerweile viele der großen Kaufhaus-Ketten das Gespräch mit dem Tierschutzbund gesucht, um neue Richtlinien auszuarbeiten. Man will kein Fleisch mehr anbieten, für das Stuten in Südamerika leiden müssen.
MATTHIAS REIF