Als bei der Loveparade in der deutschen Stadt Duisburg vor fünf Jahren eine Rampe zum Festgelände zur tödlichen Falle wird, ändert sich das Leben Hunderter Familien schlagartig. 21 Menschen sterben bei der Technoparade im Gedränge, mehr als 500 werden verletzt. Viele Betroffene leiden immer noch dramatisch unter den Folgen der Katastrophe, wie Jörn Teich von der Initiative "LoPa 2010" berichtet.
"Ich kenne Leute, die nach wie vor ganz tief in Depressionen fallen." Aus seiner Sicht ist vor allem die psychologische Langzeit-Betreuung "mangelhaft". Opfer und Angehörige verstünden auch nicht, warum es nach wie vor keinen Strafprozess gab, sagte Teich. Dass die Schuldfrage ungeklärt sei, lasse viele Betroffene nicht zur Ruhe kommen. "Die haben niemanden, auf den sie böse sein können."
Es sei offenbar generell für Menschen wichtig, nach Unglücksfällen Schuldige zu finden, sagte die Notfall-Psychologin Gabriele Bringer. Aus psychologischer Sicht sei dies jedoch für die Bewältigung eines schlimmen Erlebnisses meist unerheblich, wie Studien gezeigt hätten. "Wenn der Strafprozess abgeschlossen ist, merken die Betroffenen: Die Trauer ist geblieben."
Hauptverfahren nicht in diesem Jahr
Im Herbst soll die juristische Aufarbeitung beginnen. Ab September geht es allerdings nicht um strafrechtliche Schuld, sondern zunächst um Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Staatsanwaltschaft hat zwar eine Anklage gegen zehn Mitarbeiter der Stadt Duisburg und des Loveparade-Veranstalters erhoben, unter anderem wegen fahrlässiger Tötung. Nach wie vor ist jedoch offen, ob das Landgericht Duisburg überhaupt ein Hauptverfahren in der Strafsache eröffnen wird. Falls ja, dann beginne die etwaige Hauptverhandlung voraussichtlich nicht mehr dieses Jahr, hieß es beim Gericht. Das Aktenmaterial belaufe sich inzwischen auf mehr als 44.000 Seiten Hauptakte und einige Terabyte Videomaterial. Zentrales Beweismittel ist ein Gutachten des englischen Panikforschers Keith Still.
Jörn Teich gehört zu den Loveparade-Überlebenden, er war damals gemeinsam mit seiner kleinen Tochter dabei. Nach seinen Worten sind beide bis heute traumatisiert. Im Durchschnitt meldeten sich fünf Ratsuchende pro Woche bei "LoPa 2010", in der Zeit vor den Jahrestagen seien es stets rund zehn pro Tag, sagte Teich. Als Vorsitzender der Betroffenen-Initiative organisiert er unter anderem am Unglücksort die "Nacht der 1.000 Lichter", eine Gedenkfeier in den Stunden vor dem Katastrophentag am 24. Juli. "Für viele ist das die wichtigste Veranstaltung." Es sei dann ganz ruhig, keine Musik, die Menschen redeten viel miteinander. Aber auch die Notfallseelsorge werde an solchen Tagen gebraucht und sei mit einem halben Dutzend Kräften an Ort und Stelle.
Trauerarbeit
Wie gut ein Betroffener mit Jahrestagen fertig werde, hänge davon ab, wie er die Trauer verarbeitet habe, erklärt Psychologin Bringer. Mit einer guten Trauerarbeit hätten Angehörige inzwischen langsam Abschied genommen und akzeptiert, dass sie etwas verloren haben. Während der erste Jahrestag einer Katastrophe oft noch sehr emotional sei, sei es nach fünf Jahren von denjenigen, die mit dem Schicksalsschlag zurechtkämen, besser auszuhalten, betonte sie.
Die Loveparade-Tragödie kostete 21 Menschenleben. Die Frauen und Männer im Alter zwischen 17 bis 38 Jahren wurden im Gedränge bei einem Tunnel im Zugangsbereich des Veranstaltungsgeländes erdrückt oder zu Tode getreten. Aus der ganzen Welt waren Technofans angereist - so stammen die Todesopfer aus Deutschland, den Niederlanden, China, Australien, Spanien und Italien. Mehr als 500 Besucher wurden verletzt, viele von ihnen schwer. Die erste Loveparade hatte 1989 als kleines Straßenfest in Berlin stattgefunden. Nach der Katastrophe in Duisburg kündigte der Veranstalter an, es werde keine Loveparade mehr geben.