Forscher vom Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien haben Messdaten von 900.000 Lebensmittelproben, die japanische Behörden nach der Atomkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 genommen haben, ausgewertet. Der Aufwand zum Schutz von Japans Bevölkerung vor radioaktiv belasteter Nahrung habe sich gelohnt. Es sollte aber weiter getestet werden, so der Schluss der Physiker.
Der österreichische Strahlenphysiker Georg Steinhauser, der derzeit an der Colorado State University in Fort Collins (US-Bundesstaat Colorado) und an der TU Wien tätig ist und sein Kollege an der TU, Stefan Merz, haben die erste systematische Analyse der von den japanischen Behörden öffentlich zur Verfügung gestellten Messergebnissen an japanischen Lebensmitteln nach dem Unfall am 11. März 2011 vorgenommen, heißt es heute, Dienstag, in einer Aussendung. Es handle sich um die größte Datensammlung zur Radioaktivität von Lebensmitteln.
Bemühungen erfolgreich
Die beiden Forscher untersuchten die Daten zur Radiocäsium-Konzentration, die im ersten Jahr nach dem Unglück gemessen wurden. "Die Bemühungen der japanischen Behörden waren gigantisch und im Wesentlichen auch sehr erfolgreich", so Steinhauser. Insgesamt überschritten im ersten Jahr nach dem Unfall in ganz Japan 0,9 Prozent der Proben die Grenzwerte. In der Präfektur Fukushima waren es allerdings 3,3 Prozent. In der letzten zur Verfügung stehenden Beobachtungsperiode vom 1. April bis 31. August 2014 waren es japanweit noch 0,2 Prozent. In der Präfektur Fukushima fanden sich noch 0,6 Prozent kontaminierte Lebensmittel-Proben. "Das sind allesamt relativ niedrige Prozentsätze", so Steinhausers Einschätzung.
Die radioaktive Belastung des Trinkwassers direkt nach dem Unfall war sehr gering, jene der Gemüseproben aber sehr hoch. Die meisten verstrahlten Produkte kamen jedoch nie auf den Markt, da die Behörden den Verkauf von Gemüse aus den betroffenen Gebieten rechtzeitig gesperrt hatten.
Innerhalb eines Monats fielen die Maximalwerte etwa um den Faktor zehn. Schon vier Monate nach dem Unfall wurden keine Grenzwertüberschreitungen mehr festgestellt. Allerdings änderte sich dieses Bild bereits einen Monat später: "Die Pilzsaison hatte begonnen, und Pilze sind bekannt dafür, Cäsium gut zu speichern", erklärt der Physiker. Auch dieser Effekt ging bald wieder zurück. Mitte November 2011 allerdings fanden sich erneut erhöhte Werte. Das lag daran, dass die getrockneten Pilze dann verkaufsfertig waren.
Bis sich in Nutztieren relevante Mengen an radioaktivem Cäsium anreichern, dauert es Monate. Entsprechend zeigte sich ein anderer Verlauf: Erst ab dem Frühsommer kam es auch bei tierischen Produkten zu Überschreitungen.
Wenig Überlastung
Laut Steinhausers Einschätzung dürfte die Zahl der Personen, die aufgrund des Reaktorunglücks mehr als die erlaubte Radioaktivitätsdosis von einem Millisievert pro Jahr mit der Nahrung aufgenommen haben, "sehr gering gewesen sein". Überschreitungen dürften vor allem auf Personen beschränkt gewesen sein, die selbst Lebensmittel angebaut oder Pilze gesammelt haben.
Bisher nicht untersucht wurden die Konzentrationen an Strontium-90. Da es immer gemeinsam mit Cäsium auftritt, genügt unmittelbar nach einem Reaktorunfall dessen Messung, um die Gefahr einzuschätzen. Längerfristig ändert sich aber das Verhältnis: Cäsium wird relativ schnell von Mineralien gebunden, Strontium bleibt längere Zeit verfügbar. Wird weiter nur Cäsium gemessen, könnte die Belastung durch Strontium-90 unterschätzt werden, geben die Forscher zu bedenken.