Eineinhalb Wochen nach dem sogenannten Jahrhundert-Unwetter in der ostspanischen Region Valencia haben Zehntausende gegen die ihrer Ansicht nach nur schleppend angelaufene Hilfe protestiert. Rund 130.000 Menschen versammelten sich am Samstagabend im Zentrum der Provinzhauptstadt Valencia, wie die Vertretung des spanischen Innenministeriums in der Region mitteilte. Die Demonstranten forderten den Rücktritt von Regionalpräsident Carlos Mazón.

Auf ihrem Marsch zum Regierungsgebäude skandierten die Menschen unter anderem „Mörder, Mörder“ und „Rücktritt, Rücktritt“. Einige trugen Plakate mit Aufschriften wie „Mazón ins Gefängnis!“ oder „Gerechtigkeit!“. Die Bewohner der betroffenen Gebiete werfen dem Politiker der Spanien-weit oppositionellen konservativen Volkspartei (PP) vor, zu spät Alarm geschlagen zu haben, als das Wasser bereits in viele nahe gelegene Städte und Dörfer strömte. Mazón sagte, er hätte früher reagiert, wenn die Behörden von einer offiziellen Wasserüberwachungsstelle über den Ernst der Lage informiert worden wären. Der erst seit dem Vorjahr amtierende Politiker steht auf regionaler Ebene an der Spitze einer Koalition seiner PP mit der rechtspopulistischen Vox. Bei den schlimmsten Überschwemmungen in Spanien seit Jahrzehnten kamen mindestens 220 Menschen ums Leben. Viele werden überdies vermisst.

„Wir wollen unsere Empörung und unseren Zorn über das schlechte Management dieser Katastrophe, von der so viele Menschen betroffen sind, zum Ausdruck bringen“, sagte Anna Oliver, Vorsitzende von Accio Cultural del Pais Valenciano, einer von etwa 30 Gruppen, die den Protest organisiert haben. Die Regionalregierung schätzte die Zahl der Teilnehmer auf rund 130.000. Spanien hat den Opfern der katastrophalen Überschwemmungen Hilfen von 10,6 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Unwetter-Katastrophe forderte mehr als 200 Todesopfer

Nach einer Schweigeminute für die mehr als 200 Todesopfer der Katastrophe lasen mehrere Anführer vor dem Palau de la Generalitat ein Manifest vor, in dem die Klärung der Verantwortlichkeiten für die „vermeidbaren Folgen der Katastrophe“ sowie die Absetzung der „inkompetenten valencianischen Regierung“ gefordert wurde. Zur Demonstration hatten 65 Organisationen, darunter Bürgerinitiativen und Gewerkschaften, kurzfristig aufgerufen.

König Felipe will erneut in das Katastrophengebiet reisen

Ungeachtet des anhaltenden Unmuts will der spanische König Felipe VI. nach den Ausschreitungen bei seinem ersten Besuch in Valencia das Katastrophengebiet am Dienstag erneut aufsuchen. Seine Frau, Königin Letizia, begleitet ihn diesmal nicht, wie das Königshaus mitteilte. Am vergangenen Sonntag waren die beiden in Paiporta nahe der Metropole Valencia mit Schlamm beworfen und beschimpft worden.

Der letzte Besuch von Felipe im spanischen Hochwassergebiet verlief turbulent | Der letzte Besuch von Felipe im spanischen Hochwassergebiet verlief turbulent
Der letzte Besuch von Felipe im spanischen Hochwassergebiet verlief turbulent
| Der letzte Besuch von Felipe im spanischen Hochwassergebiet verlief turbulent © APA/AFP

Der 56-jährige Monarch wolle die weiter auf Hochtouren laufenden Bergungs- und Aufräumarbeiten beaufsichtigen, ließ die „Casa Real“ in Madrid wissen. In den rund 80 betroffenen Gemeinden werden unter anderem rund 8.500 Militärangehörige sowie 10.000 Beamte der nationalen Polizeieinheiten Policía Nacional und Guardia Civil eingesetzt. Dort sind zahlreiche Gebäude weiterhin nicht oder nur schwer zugänglich, da die Eingänge zum Teil nach wie vor von Autowracks und Hausrat blockiert sind.

Die starken Niederschläge, Erdrutsche und Überschwemmungen vor eineinhalb Wochen forderten nach der jüngsten amtlichen Bilanz mindestens 222 Menschenleben. 214 Leichen wurden demnach allein in Valencia geborgen. Acht Todesopfer gab es in den benachbarten Regionen Kastilien-La Mancha und Andalusien. Die offizielle Zahl der Vermissten wurde unterdessen in Valencia von 50 auf 41 reduziert. Man müsse berücksichtigen, dass 19 Leichen noch nicht identifiziert worden seien, hieß es.

Johnny Depp will die Flutopfer unterstützen

Hollywoodstar Johnny Depp stellt unterdessen Unterstützung in Aussicht. Er wolle schauen, inwieweit er helfen können werde, „in welcher Form auch immer“, sagte der 61-jährige „Fluch der Karibik“-Star am Rande des Europäischen Filmfestivals in Sevilla. Depp sprach den Flutopfern Mut zu und sagte, sein Herz sei „bei den betroffenen Menschen“. Außerdem hob er „die Widerstandsfähigkeit des spanischen Volkes bei Ereignissen wie diesem“ hervor.

Am 29. Oktober hatte es in einigen Ortschaften innerhalb weniger Stunden so viel Regen gegeben wie sonst in einem Jahr. Die menschengemachte Klimakrise verstärkt solche Extremwetterereignisse massiv. Inzwischen scheint im Flutgebiet seit Tagen vorwiegend wieder die Sonne.