Auch zwei Tage nach der Katastrophe sieht man Autos, die von der Gewalt der durch die Straßen geschossenen Sturzbäche aufeinander geschoben wurden. Die Bilder der Katastrophe gingen um die Welt, etwa aus dem Arbeiterviertel La Torre im Süden Valencias, das am Dienstag von meterhohen Wasser- und Schlammfluten verwüstet worden war. Elf Menschen starben in dem Viertel. Allein neun Personen kamen um, als sie ihre Autos aus zwei Tiefgaragen retten wollten. Als sie in die Garagen gingen, stand das Wasser dort nur knöcheltief. Minuten später reichte das Wasser bis zur Garagendecke. Die Eingeschlossenen hatten keine Chance, der plötzlichen Flut zu entkommen und ertranken.
Dabei hatte es in diesem Viertel an diesem Tag kaum geregnet, berichtet Padre Salvador, der Pfarrer der katholischen Gemeinde Nuestra Señora de Gracia. „Hier kam das ganze Wasser aus höhergelegenen Bachbetten und Schluchten an, die über die Ufer getreten waren. Das Wasser drang mit solcher Gewalt in das Stadtviertel ein, dass alles überschwemmt wurde. Das war wie ein Tsunami”, schildert er.
Auch am Donnerstag suchten tausende Helfer in der Katastrophenregion nach Vermissten. Bisher wurden in der Provinz Valencia 92 Tote geborgen. In Nachbarregionen gab es weitere Tote. Viele Menschen werden noch vermisst. Allein in dem südwestlich von Valencia gelegenen Ort Paiporta starben mindestens 45 Menschen. Ein normalerweise meist ausgetrocknetes Bachbett hatte sich in kürzester Zeit in einen tobenden Strom verwandelt.
60 Plünderer festgenommen
Es wird erwartet, dass nach Beseitigung der Trümmer- und Schlammmassen noch weitere Opfer gefunden werden. Die Zahl der Toten könnte also noch auf über 150 ansteigen. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez erklärte die Zone zum Katastrophengebiet. Unterdessen nahm die Polizei mindestens 60 Plünderer fest, die sich in den zerstörten Orten in Geschäften und Wohnungen bedienen wollten.
Die Überflutung ist die schlimmste Katastrophe im Großraum Valencia seit 1957. Damals waren 87 Menschen ertrunken, als nach heftigen Regenfällen der damals mitten durch Valencia führende Fluss Turia über die Ufer trat. Nach dem Unglück wurde in den 1960er-Jahren ein neues und sehr breites Flussbett gebaut, das jetzt im großen Bogen um die Stadt herumführt, was noch Schlimmeres verhindert haben dürfte. Das bestätigt auch der deutsche Valencia-Resident Rupert Neumann. „Das Stadtzentrum Valencias ist nicht so sehr betroffen.” Die City ist weitgehend unbeschädigt. Die Tourismusbehörde Valencias rät trotzdem in diesen Tagen von einem Stadtbesuch ab. An Urlauber wird appelliert, einen Ausflug nach Valencia ein paar Tage aufzuschieben: „um die Mobilität innerhalb der Stadt möglichst zu reduzieren, um die Rettungskräfte nicht zu behindern.
Keine Österreicher unter den Opfern
Unter den Opfern befinden sich laut Außenministerium keine Österreicher. Der Kärntner Patrick Eppensteiner (40), der seit acht Monaten in Valencia wohnt, kam mit dem Schrecken davon. Familie und Freunde sind wohlauf. Am Dienstag schlug sein Handy Alarm, nur wenige Kilometer weiter kamen währenddessen Menschen ums Leben: „Es waren schreckliche Bilder.“
Ralph Schulze (Madrid)