Ein torkelndes Äffchen, ein Waschbär, der in Zickzack-Linien läuft oder ein Vogel in (zu) berauschender Stimmung - auf Video-Plattformen und Social Media kursieren immer wieder Aufnahmen betrunkener Tiere. Wenn sie nicht gerade versehentlich an einem alkoholhaltigen Getränk genippt haben, liegt die Ursache meistens im Inneren natürlich fermentierter Früchte.
Wie ein kanadisch-britisches Forscherteam nun herausgefunden hat, kommt Alkohol bzw. Ethanol in der Natur deutlich öfter vor als bisher angenommen – nämlich in nahezu jedem Ökosystem. Dementsprechend ist es auch sehr wahrscheinlich, dass Tiere Alkohol häufiger als gedacht konsumieren. „Wir bewegen uns weg von der anthropozentrischen Sichtweise, dass Ethanol nur etwas ist, das der Mensch benutzt“, schildert die Hauptautorin Dr. Kimberley Hockings vom Centre for Ecology and Conservation der Universität Exeter. Die Studie „The evolutionary ecology of ethanol“ erschien in „Trends in Ecology & Evolution“.
Tiere wollen die Kalorien und nicht den Rausch
Während für Menschen der Genuss und ab und zu auch das berauschende Hochgefühl im Zentrum des Alkoholkonsums steht, geht es für die Tiere um etwas anderes: „Es ist das Gegenteil von Menschen, die sich berauschen wollen, aber nicht wirklich die Kalorien wollen – aus der nicht-menschlichen Perspektive wollen die Tiere die Kalorien, aber nicht den Rausch“, führt Hockings aus.
Stichwort Rausch: Tiere können Ethanol normalerweise gut abbauen. Die Evolution hätte dies so eingerichtet, denn: „Aus ökologischer Sicht ist es nicht vorteilhaft, betrunken zu sein, wenn man in den Bäumen herumklettert oder nachts von Raubtieren umzingelt ist - das ist ein Rezept, um seine Gene nicht weiterzugeben“, sagt der Erstautor Matthew Carrigan vom College of Central Florida. Besonders Primaten und Baumspitzmäuse haben sich an die effiziente Verstoffwechselung von Ethanol angepasst. Ganz besonders resistent sollen auch orientalische Hornissen sein. Laut einer Studie der Universität von Tel Aviv könnten sie eine unbegrenzte Menge Alkohol zu sich nehmen, ohne gesundheitliche Schäden davonzutragen. Für Tiere, die nur selten mit ethanolhaltigen Früchten in Berührung kommen, kann der Verzehr hingegen tödlich enden.
Gibt es auch Tiere, die wirklich den Alkohol wollen?
Ob es tatsächlich auch Tiere gibt, die Früchte für die Aufnahme von Ethanol verzehren, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Zumindest bei der Nahrungssuche könnte der Ethanol - oder genauer gesagt die Gärung - helfen, da Spezies mit feinen Nasen diese erschnuppern dürften. „Auf der kognitiven Seite gibt es Überlegungen, dass Ethanol das Endorphin- und Dopaminsystem anregen kann, was zu Entspannungsgefühlen führt, die sich positiv auf die Sozialität auswirken könnten“, schildert die Erstautorin Anna Bowland von der University of Exeter.
Das Forscherteam will nun untersuchen, welche Auswirkungen Alkoholkonsum auf das (Sozial-)Verhalten von Primaten hat und wie die am Ethanolstoffwechsel beteiligten Enzyme genau arbeiten.