Bei schweren Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia sind mindestens 95 Menschen ums Leben gekommen. Das berichtete der spanische Staatssender RTVE unter Berufung auf die Regionalregierung. „Es wurden Tote gefunden, aber aus Respekt vor den Angehörigen werden wir keine weiteren Angaben machen“, hatte der Regierungschef der Region, Carlos Mazón, bereits zuvor bekanntgegeben. Mehrere Menschen werden noch vermisst.
Die Betroffenheit in Spanien ist groß. „Das ist ein Drama mit kolossalen Ausmaßen. Ich weiß nicht, was sie vorfinden werden, wenn sie Zugang zu den Häusern bekommen“, sagte etwa der ehemalige Valencia-Torwart Santi Cañizares gegenüber dem spanischen Radiosender Marca. Zum Glück sei nur ein kleiner Teil seiner Finka zerstört worden, aber er habe seine Tiere verloren. Als der Sender im Live-Interview erste Meldungen über Tote bekam, kommentierte Cañizares: „Ich glaube, das ist gerade erst der Anfang.“
Auch erste Interviews mit Betroffenen der spanischen Tageszeitung El Pais zeigen das Ausmaß der Tragödie. „Vor 45 Minuten hat meine Mutter angerufen und geweint. Sie hat uns erzählt, dass mein Bruder sie angerufen hat – um sich zu verabschieden“, erzählte eine junge Frau am Mittwochnachmittag. Ihr Bruder arbeitete in einer Fabrik, als das Wasser kam. „Sie sind dann auf das Dach vom Fabrikgelände geflüchtet. Das Letzte, was wir wissen, ist, dass sie sich an einer Mauer festgehalten haben“, sagte sie weiter. Seitdem habe sie nichts mehr von ihrem Bruder gehört. Eine andere Augenzeugin berichtete: „Da kam eine tsunamiartige Welle.“
Andalusien, Murcia und Valencia besonders betroffen
Vielerorts laufen die Rettungsarbeiten weiter. Besonders schlimm war die Lage in den bei Urlaubern sehr beliebten Mittelmeerregionen Andalusien, Murcia und Valencia. Dort wurden vielerorts Straßen, Häuser und Felder überschwemmt sowie Autos und Bäume von den Wassermassen mitgerissen. In einigen Orten wie Turis und Utiel wurden Niederschlagsmengen von bis zu 200 Millimetern gemessen. Zahlreiche Kräfte ringen in der besonders betroffenen Mittelmeerregion Valencia darum, zu den betroffenen Orten vordringen zu können. Vieles könne wegen überschwemmter oder anderweitig blockierter Straßen nur per Hubschrauber geleistet werden, sagte José Miguel Basset von der Feuerwehr der Provinz Valencia der Nachrichtenagentur Europapress. Der Containerhafen in Valencia schrieb auf der Plattform X, er bleibe bis mindestens 14.00 Uhr geschlossen.
Der Wetterdienst Aemet in Valencia sprach in einer ersten Bilanz von einem „historischen Unwetter“. Es habe sich um den schlimmsten „Kalten Tropfen“ (gota fría) dieses Jahrhunderts in der Region Valencia gehandelt, schrieb Aemet auf X. Diese Wettererscheinung tritt in der spanischen Mittelmeerregion in den Monaten September und Oktober häufig auf, sie basiert auf stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft und entsteht, wenn sich die ersten atlantischen Tiefausläufer mit feuchtkalter Luft über das warme Mittelmeer schieben.
EU bietet Hilfe an
Wegen der schweren Unwetter und Überschwemmungen hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Spanien Hilfe der Staatengemeinschaft angeboten. „Wir haben unser Copernicus-Satellitensystem aktiviert, um bei der Koordinierung der Rettungsteams zu helfen. Und wir haben bereits angeboten, unseren Katastrophenschutz zu aktivieren“, sagte von der Leyen in Brüssel. „Unsere Gedanken sind bei den Opfern, den Familien und ihren Freunden, aber auch bei den Rettungsteams.“
Mazón, rief Einwohner dazu auf, sich in höhergelegene Gebiete zu begeben. In einigen Gebieten waren Anrainerinnen und Anrainer in ihren Häusern eingeschlossen und setzten in sozialen Medien Notrufe ab, wie die Zeitung „El País“ berichtete. Das Regengebiet, über das schon seit Tagen viel berichtet worden war, soll heute gen Nordosten weiterziehen. Für große Teile des Landes gilt aber weiter eine Unwetterwarnung. Erst am Donnerstag werde sich die Lage in ganz Spanien wieder komplett entspannen, teilte der Wetterdienst Aemet mit
AVE-Hochgeschwindigkeitszug aus Gleisen geraten
Wegen eines Steinrutsches geriet ein AVE-Hochgeschwindigkeitszug auf dem Weg von Málaga nach Madrid kurz nach Beginn der Fahrt mit 291 Passagieren an Bord nahe der Gemeinde Álora aus den Gleisen. Dabei habe es aber keine Verletzten gegeben, teilte die spanische Bahngesellschaft Renfe mit.
Radio- und Fernsehsender erhielten Hunderte von Hilferufen von Bürgern, die in überschwemmten Gebieten eingeschlossen waren oder nach Angehörigen suchten. „Wenn (die Rettungsdienste) nicht eingetroffen sind, liegt das nicht an fehlenden Mitteln oder mangelnder Bereitschaft, sondern an einem Zugangsproblem“, erklärte Mazon. Es sei derzeit „absolut unmöglich“, bestimmte Gebiete zu erreichen. Die lokalen Rettungsdienste haben die UME, eine auf Rettungseinsätze spezialisierte Militäreinheit, um Unterstützung gebeten.
Auch Balearen betroffen
Über Mallorca und den anderen Balearen-Inseln war das Unwetter mit Starkregen bereits am Montag gezogen. Inzwischen hat sich die Situation dort wieder beruhigt, obwohl für einige Gebiete - darunter auch auf Mallorca - noch die Unwetterwarnung Gelb galt. Erst am Donnerstag soll sich laut Aemet die Lage in ganz Spanien wieder komplett entspannen.