Im Prozess um Betäubung und massenhaften Missbrauch in Südfrankreich hatte das Vergewaltigungsopfer Gisèle Pelicot vor Tätern aus dem Umfeld gewarnt. „Der Vergewaltiger ist nicht der, den man spätabends auf einem Parkplatz trifft. Er kann auch in der Familie sein, unter den Freunden“, sagte Pelicot, wie der Sender France Info aus dem Gerichtssaal im südfranzösischen Avignon berichtete. Laut dem Sender BFMTV fügte sie hinzu, es seien Menschen, die man nicht verdächtige.
Der Fall Pelicot
Fassungslos und stark
„Ich versuche, zu verstehen, wie dieser Herr, der für mich der perfekte Mann war, an diesen Punkt gelangen konnte. Wie konnte er mich derart hintergehen? Wie konntest du Personen in mein Schlafzimmer lassen?“, fragte sie an ihren Ex-Mann und den Hauptangeklagten im Prozess gerichtet. „Für mich ist dieser Verrat unermesslich. Ich dachte, ich verbringe den Rest meiner Tage mit diesem Mann.“
Pelicot betonte, sie habe die Entscheidung getroffen, den Prozess nicht hinter verschlossenen Türen zu führen, da sie sich nichts vorzuwerfen habe. Sie wolle, dass andere missbrauchte Frauen durch sie Mut bekämen. „Ich will, dass sie keine Schande mehr verspüren. Nicht wir sollten uns schämen, sondern sie“, zitierte die Zeitung „Le Parisien“ aus dem Prozess. Demnach fügte Pelicot hinzu: „Ich bringe vor allem meinen Wunsch und meine Entschlossenheit zum Ausdruck, dass wir diese Gesellschaft verändern.“
Pelicot ist seit Beginn des Prozesses im September in Frankreich zu einer Heldin geworden. Am vergangenen Wochenende waren im ganzen Land zum wiederholten Mal zahlreiche Menschen auf die Straße gegangen, um gegen sexualisierte Gewalt zu demonstrieren. „Die Scham muss die Seite wechseln“, skandierten manche von ihnen - das Argument von Pelicot, mit dem sie zuletzt durchgesetzt hatte, dass die Bilder von den Vergewaltigungen vor Gericht in Anwesenheit von Journalisten und Zuschauern gezeigt werden.
Tätern drohen bis zu 20 Jahre Haft
Gisèle Pelicots Ex-Mann Dominique Pelicot hat gestanden, seine Frau von 2011 bis 2020 immer wieder mit Schlafmitteln betäubt und vergewaltigt zu haben. In mindestens 92 Fällen waren auch fremde Männer beteiligt, die Dominique Pelicot in Internetforen kontaktiert hatte. Der 72 Jahre alte Ex-Mann Pelicots steht seit Anfang September vor Gericht.
In den vergangenen Wochen hatten viele der insgesamt 50 Mitangeklagten den Vorwurf der Vergewaltigung zurückgewiesen. Manche argumentierten damit, sie hätten gedacht, es handle sich um ein gemeinsames Sex-Spiel des Ehepaares und die Frau stelle sich nur schlafend. Dominique Pelicot bekräftigte jedoch mehrfach vor Gericht: „Sie haben alle Bescheid gewusst.“ Ihm sowie den 50 angeklagten mutmaßlichen Tätern drohen bis zu 20 Jahre Haft.