Das Fleisch vergammelt in den Kühlschränken, Klimaanlagen stehen still und kaum ein Mobiltelefon läuft noch. Alle nicht notwendigen Operationen in den Hospitälern wurden gestoppt. In Kuba ging an diesem Wochenende im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr. Der größte Stromausfall seit mehr als einem halben Jahrhundert taucht die Antilleninsel und ihre zehn Millionen Einwohner seit Freitag in Dunkelheit und Stille.

Die Straßen Havannas waren praktisch leer, der öffentliche Nahverkehr fuhr nicht. Schulen und Geschäfte bleiben geschlossen, und der Weiterbetrieb der Krankenhäuser ist in Gefahr. Am Sonntagabend (Ortszeit) erreichte dann auch noch Hurrikan „Oscar“ die östliche Nordküste Kubas. Schäden des Hurrikans der schwächsten Kategorie eins sind bisher nicht bekannt. Der Strom fehlte am Montag weiterhin.

Indes versprach Vicente de la O Levy, Minister für Energie und Bergbau, dass für die meisten Kubaner bis Montagabend wieder Strom vorhanden sein soll. Einzelne könnten aber bis Dienstag warten müssen.

Ein Auto fährt durch eine Straße in Havanna. Die kubanische Hauptstadt ist seit Freitag ohne Strom.
Ein Auto fährt durch eine Straße in Havanna. Die kubanische Hauptstadt ist seit Freitag ohne Strom. © AFP

Kraftwerke großteils noch aus Sowjet-Ära

Die Bevölkerung, die Kummer und Leid und auch regelmäßige Stromabschaltungen gewohnt ist, hat sich weitgehend stoisch in ihr Schicksal gefügt. „Es wird schlimmer und schlimmer“, sagte eine Frau aus einem Randbezirk von Havanna. Der totale Stromausfall wurde am Freitag durch den Zusammenbruch des größten Kraftwerks der Insel ausgelöst. Wie fast alle wird auch dieses mit fossilen Brennstoffen betrieben und stammt noch aus der Sowjet-Ära. 

„Es gibt keinen festen Zeitpunkt, zu dem wir die Versorgung wieder garantieren können“, heißt es aus dem Energieministerium. Der großflächige Ausfall sei auf einen „erheblichen Mangel von Treibstoff“ zurückzuführen. Die neue Krise trifft eine ohnehin schon gebeutelte Wirtschaft. Das kubanische Bruttoinlandsprodukt ist im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent gesunken und wird in diesem Jahr wohl nur um 0,5 Prozent wachsen. Die Wirtschaftskraft liegt immer noch unter dem Niveau von 2019.

Kaum Investitionen in erneuerbare Energie

Jahrzehntelange unzureichende Investitionen in Anlagen und Netze sowie die starke Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen haben das Land zu einem der anfälligsten in der Region gemacht. Und dies trotz der guten Ausgangsbedingungen für die Entwicklung von Photovoltaik und Windenergie. 2022 wurde OECD-Daten zufolge mehr als 83 Prozent des Stroms aus Erdölderivaten erzeugt. Erdgasanlagen steuerten weitere zwölf Prozent bei. Die erneuerbaren Energieträger generieren immer noch weniger als fünf Prozent für den Energiemix.

Die Regierung von Staatschef Miguel Díaz-Canel weiß, dass die Zukunft für Kuba in den erneuerbaren Energien liegt. Im März kündigte das Energieministerium einen Plan zur Installation von 92 Photovoltaikanlagen bis 2028 an. Damit soll der Anteil der grünen Energie bis 2030 insgesamt auf rund 25 Prozent des Energiemixes steigen.

Ein Handy als einzige Lichtquelle in Havanna.
Ein Handy als einzige Lichtquelle in Havanna. © AFP

Bevölkerung wird immer unruhiger

Einige Familien mussten am Wochenende mit Brennholz kochen, standen stundenlang für Flüssiggas an. Viele Haushalte waren ohne Wasser, weil die Versorgung von elektrischen Pumpen abhängt. Nach Einbruch der Dunkelheit leuchteten am Wochenende in Havanna nur noch die Lichter von Hotels, Krankenhäusern und einigen wenigen Privatunternehmen, die über eigene Kraftwerke verfügen. Präsident Díaz-Canel erklärte, die Wiederherstellung der Energieversorgung habe „absolute Priorität“.

Aber der Geduldsfaden der Bevölkerung ist nach vielen Monaten der Entbehrungen aller Arten ziemlich dünn geworden: Viele Menschen machen ihrem Unmut in den sozialen Netzwerken Luft, aber es gibt noch keine Berichte über Proteste im Land. Sicher aber ist: Die Lage auf der Insel wird immer kritischer. Die Regierung ist sich zunehmend bewusst, dass viele Menschen den Respekt vor ihr und die Angst vor dem Repressionsapparat verloren haben.