Für fünf Frauen und fünf Männer, allesamt noch recht jung, wird ein spezieller Traum wahr – Koordinaten: 64º49‘S, 63º30‘W. Sie brechen bald nach Port Lockroy auf der Goudier-Insel westlich der Antarktischen Halbinsel auf. Pinguine zählen, Tausende Karten vom südlichsten Postamt der Welt verschicken, Schäden an einer historischen Forschungsstation reparieren, Museum und Souvenirgeschäft in Schuss halten. Und: ein spartanisches Leben am unwirtlichen Ende der Welt bewältigen – für sich und als Team.
Jedes Jahr schickt die britische Organisation „UK Antarctic Heritage Trust“ nach einem ausführlichen Auswahlprozess Freiwillige auf einen Stützpunkt in südlichsten Gefilden. Dienstdauer: November bis März, also antarktischer Sommer. Urlaub sei das jedenfalls keiner, erklärt Sprecherin Rebecca Shay im Interview: „Zu den Herausforderungen gehört das Leben auf einer Insel, die etwa die Größe eines Fußballfeldes hat und in einem unglaublich abgelegenen und isolierten Gebiet unseres Planeten liegt.“
Kein Komfort, aber Aussicht
Das Team (Leiter: Lou Hoskin) muss sich auf nahezu durchgehendes Tageslicht und Minustemperaturen einstellen, es gibt kein fließendes Wasser und keine Toilettenspülung. Dafür wartet sehr viel tierische Gesellschaft: Über 1000 Eselspinguine – die schnellsten Schwimmer unter den Pinguinen – sind Zaungäste des Stützpunktes. Für einen Teil des Teams wird es noch abenteuerlicher: Sie brechen im Februar zum „Blaiklock Island Refuge“ auf – dem kleinsten und unzugänglichsten Standort des Forschungspostens. Er steht wie eine winzige Zeitkapsel auf einer wilden Felseninsel, erzählt die bewegenden Geschichten der Polarforscher der Vergangenheit – und ist akut sanierungsbedürftig. Für Reparaturen an allen Holzkonstruktionen stoßen in weiterer Folge noch überaus wetterfeste Zimmemänner dazu.
Port Lockroy war ursprünglich von 1944 bis 1962 in Betrieb – warum hält das Vereinigte Königreich noch an der Forschungsstation fest? „Port Lockroy ist Großbritanniens erste permanente wissenschaftliche Basis in der Antarktis und gilt als Geburtsort der britischen Antarktiswissenschaft! Es wurde aufgrund seiner historischen Bedeutung anerkannt und im Rahmen des Antarktisvertrags als historische Stätte und Denkmal ausgewiesen.“ Es gehe darum, die Geschichten der ersten antarktischen Klimaforscher nie vergessen zu lassen und auch noch für kommende Generationen zu bewahren.
Über den Zustrom der Eselspinguine, deren Population Teammitglied Maggie Coll genau erforschen wird, muss man sich keine Sorgen machen. Wie aber kommen der Postmeister George Clarke und die Museumsverantwortliche Aoife McKenna zu Kundschaft? „Besucher kommen auf kleinen Expeditionskreuzfahrtschiffen und fahren mit Schlauchbooten zur Goudier-Insel“, erklärt Shay. Für die Post, die die Besucherinnen und Besucher der Kreuzfahrtschiffe aufgeben, gibt es einen speziellen Stempel – Clarke wird sie dann über vorbeifahrende Kreuzfahrtschiffe weiterschicken, sagte er dem „Guardian“.
Der ferne Kontinent ist längst auch für Touristen ein wahrer Magnet: 2022/2023 zählte man 105.000 Besucher. Dazu kommen Tausende Wissenschaftler, 29 Staaten unterhalten in der Antarktis mittlerweile über 80 Forschungsstationen. Auf der Goudier-Insel sind maximal drei Kreuzfahrtschiffe mit jeweils maximal 500 Passagieren pro Tag erlaubt – nur 60 Menschen dürfen gleichzeitig an Land sein.
Klimawandel wurde bedrohlich
Der Klimawandel ist längst und gerade auch in der Antarktis ein Thema: „Die von uns betreuten Stätten sind anfällig für den Klimawandel. Wir sehen, wie sich wärmeres, feuchteres und stürmischeres Klima auf das Kulturerbe auswirkt. Mehr Regen und Schnee, Schimmelbildung, Holzfäule und Wassereinbruch werden zu größeren Problemen“, ist Shay alarmiert. Touristenströme setzen dem ohnehin hochfragilen Ökosystem zusätzlich zu.
Für Romantik bleibt wenig Zeit, es gilt eher, Lagerkoller zu vermeiden. Postmeister Clarke hegte gegenüber dem „Guardian“ trotzdem die Hoffnung auf besinnliche Momente: „Ich freue mich darauf, aufzuwachen, meinen Kaffee mit Blick auf die Antarktis zu schlürfen und hoffentlich Wale zu sehen.“ Das könnte auch so manchem im täglichen Büro-Hamsterrad gefallen.