Am Montag soll die Sonde Hera der europäischen Raumfahrtagentur ESA vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral (Florida) an Bord einer Falcon-9-Rakete des Raumfahrtunternehmens SpaceX um 10:52 Uhr lokaler Zeit (16:52 unserer Zeit) abheben. Sie hat den Asteroiden Dimorphos zum Ziel. Die ESA zeigte sich jüngst zuversichtlich, dass der Launch-Termin hält. Falls nicht: Das Startfenster reicht bis zum 27. Oktober.
"Das System ist ausgetestet und alles ist in Ordnung", sagte Holger Krag, Leiter des Weltraumsicherheitsprogrammes der ESA, bei einem Presse-Briefing. "Heras" Reisezeit von 26 Monaten sei lang, man fliege auf dem Weg im März 2025 am Mars vorbei und müsse auch zwei Manöver im All machen, um am 28. Dezember 2026 beim Zielasteroiden anzukommen.
Folgemission
"Hera" ist dabei eine Folgemission: Vor zwei Jahren schlug im Rahmen der Dart-Mission (Double Asteroid Redirection Test) eine Sonde der US-Raumfahrtbehörde NASA absichtlich in den Asteroiden Dimorphos - mit seinen rund 150 Meter Durchmesser Teil eines Doppel-Asteroidensystems - ein. Es gelang damit erstmals, den Kurs eines Asteroiden durch menschengemachte Technik zu verändern: Seither umkreist Dimorphos als Mond den Zentralkörper Didymos in etwa 11,5 anstelle von zwölf Stunden.
"Hera" soll nun erkunden, was damals genau passiert ist und wie effizient der Einschlag wirklich war: Mit den mitgeführten Gerätschaften werden der Einschlagkrater auf Dimorphos untersucht, die Masse des Asteroiden bestimmt und auch seine inneren Eigenschaften erhoben - um damit auch für die künftige planetare Asteroidenabwehr zu lernen.
383 Millionen Euro Gesamtkosten
Das in nur vier Jahren im Auftrag der ESA unter industrieller Federführung des deutschen Unternehmens OHB entwickelte Hera-System (Gesamtkosten 383 Mio. Euro) umfasst zwölf Instrumente sowie zwei weitere Kleinsatelliten, die unabhängig von der Raumsonde operieren werden. Unter den beteiligten Institutionen und Unternehmen aus den 18 beteiligten ESA-Mitgliedsstaaten - zudem war Japan mit an Bord - findet sich auch das österreichische Weltraumunternehmen Beyond Gravity. Es lieferte Antriebselektronik für jene Mechanismen, die zur Stromversorgung die Solarpaneele des "Hera"-Satelliten optimal zur Sonne ausrichten.
Planetare Asteroidenabwehr sei nicht so weit weg, wie man häufig meint: "Es kommt immer wieder vor, dass Asteroiden auf die Erde einschlagen", sagte Rolf Densing, ESA-Direktor für Missionsbetrieb, unter Verweis auf das Tscheljabinsk-Ereignis im Ural im Februar 2013, das ein etwa 20 Meter großer Asteroid auslöste. Rund 1.500 Menschen wurden bei der Explosion verletzt, meist von zersplitterndem Fensterglas.
Asteroiden indirekt gefährlich
Die zehn bis 20 Meter großen Asteroiden seien indirekt, durch das Zerbrechen und Freisetzen von Energie in der Atmosphäre, gefährlich, so Richard Moissl, Leiter des Planetenverteidigungsbüros der ESA. Bei größeren Asteroiden, etwa ab 50 Metern, käme es dann zu gröberen Schäden am Boden. Ab 100 bis 140 Metern können von dem Einschlag ganze Nationen gefährdet sein, noch größere Objekte würden den gesamten Planeten beeinflussen können - so die grobe Einordnung Moissls.
"Das Gute ist: Den großen Dinosaurierkiller gibt es nicht. Diese großen Objekte kennen wir im Sonnensystem; sie sind für uns in den nächsten 100 Jahren keine Gefahr", so Moissl. Aber es gebe erdnahe Objekte, wo man immer wieder etwas genauer hinsehen müsse.
„Asteroiden ablenken“
Bei derartigen kleineren Objekten wie im Fall Tscheljabinsk gehe es um die Entwicklung von Frühwarnsystemen, um gefährdete Gebiete frühzeitig evakuieren zu können, sagte Krag: "Bei größeren Objekten, wo das Evakuieren nicht mehr reicht, muss man mit Missionen wie 'Dart' eingreifen und den Asteroiden ablenken." Dafür müsse man aber auch frühzeitig Bescheid wissen, am besten Jahrzehnte vorher - "je früher, umso einfacher ist es, das Problem abzuwenden". Hera sei nun jene Mission, "die uns das Verständnis erlaubt nachzuvollziehen, wie diese Ablenkung funktioniert".
Über alle erdnahen Asteroiden Bescheid zu wissen, sei illusorisch, so Moissl. Asteroiden mit deutlich über einem Kilometer Durchmesser kenne man bis auf wenige fast alle, aber je kleiner die Objekte werden, desto unvollständiger fällt das Wissen aus: "Bei 50 Metern und kleiner sind wir nicht einmal bei einem Prozent." Hier suche man sportlich und benötige auch neue Technologien. "Wir hoffen, dass wir eines Tages zumindest mit einer Vorwarnzeit von drei Wochen Objekte mit 30 Metern Durchmesser oder weniger sehen können - und dass wir 50 Meter im Wesentlichen sehen, bevor sie ein Problem werden", so der ESA-Experte.
"Hera ist keine Eintagsfliege", so Densing, genauso wie die Bedrohung durch Asteroiden keine Eintagsfliege sei. Die Nachfolge-Mission wird bereits in ersten Schritten vorbereitet: Mit der Mission "Ramses" (Rapid Apophis Mission for Space Safety), geplanter Start im Jahr 2028, soll es dann zum Asteroiden Apophis gehen. "Ramses" soll das Objekt bei seinem laut ESA "außergewöhnlich nahen Vorbeiflug" von 32.000 Kilometern an der Erde am 13. April 2029 begleiten. "Man wird mit bloßem Auge von Europa aus diesen Asteroiden sehen können", meinte Densing. Die Bestätigung für die Ramses-Mission erwarte man bei der nächsten ESA-Ministerkonferenz "Ende nächsten Jahres". Sie soll dann weitere Puzzleteilchen liefern, um letztlich einmal die Frage beantworten zu können: Wie können wir einen Asteroideneinschlag auf der Erde verhindern?