Romeo und Julia gibt es nicht nur in Verona, sondern auch im Vatikan. Italienische Medien haben ein im kleinsten Staat der Welt beschäftigtes Ehepaar nach den tragischen Liebenden aus Norditalien benannt. Denn auf gewisse Weise wirkt auch ihre Geschichte besonders unglücklich, ja für Vatikanverhältnisse geradezu absurd. Einerseits fordert und fördert die katholische Kirche die Ehe, just der Umgang des Vatikans mit diesem Sakrament sorgt aber nun für Aufregung.
Das Paar heiratete erst im August, und zwar kirchlich, hätte also von der katholischen Kirche eigentlich als vorbildhaft eingestuft werden müssen. Auch, wenn beide aus vorherigen Beziehungen Kinder in die Ehe mitbrachten. Noch dazu hatten sich die beiden an ihrem Arbeitsplatz, der Vatikanbank IOR, kennengelernt. Eine offensichtlich glückliche, katholische Liebe, gediehen im Schatten des Petersdoms.
Einer von beiden muss kündigen – sonst sind beide ihren Job los
Eigentlich. Denn in der Vatikanbank ist man nach zahlreichen Skandalen der Vergangenheit (Geldwäsche für die Mafia, Steuerparadies) seit einiger Zeit bemüht, keinen Anlass mehr für Argwohn zu bieten. Das wirkt sich auch auf das Eheleben im Kirchenstaat aus. Verheiratete dürfen nach einer bereits im April angekündigten, aber erst im Sommer in Kraft getretenen Regelung nicht mehr zusammen in der Vatikanbank oder in anderen Vatikan-Behörden arbeiten. Einer der beiden muss seinen Job aufgeben und kündigen. Sonst wird beiden gekündigt.
Genau das ist den beiden verheirateten Angestellten der sogenannten Bank Gottes nun passiert. Weil weder Romeo noch Julia auf ihren Job verzichten wollten, vollzog das Istituto per le Opere di Religione (IOR) am Dienstag den Rauswurf. „Die Entlassung ist das dramatische Nachspiel, mit dem niemand im Vatikan gerechnet hat“, schrieb die Zeitung Il Gazzettino.
Hochzeit war schon vor Neuregelung geplant
Am Dienstag war die Frist abgelaufen, innerhalb der einer der beiden freiwillig die Kündigung hätte einreichen müssen, um den Job des anderen Ehepartners zu retten. In der neuen Beschäftigungsordnung des IOR heißt es, „die Feier einer kirchlichen Eheschließung zwischen einem Angestellten des Instituts und einem anderen Angestellten des Instituts oder anderer Verwaltungen des Staates Vatikanstadt“ stelle „einen Grund für den Verlust der Beschäftigungsvoraussetzungen dar“. Eine Ausnahme könne nur gemacht werden, „wenn der andere Ehegatte sein Arbeitsverhältnis mit dem Institut und den anderen Verwaltungen des Staates Vatikanstadt innerhalb von 30 Tagen nach der Eheschließung kündigt“.
Die Liebenden hatten Ende August bei Rom geheiratet, damals war die Neuregelung bereits in Kraft getreten. Ende September lief die besagte Frist ab. Trotz eines abzuzahlenden Kredits hatten Romeo und Julia aus dem Vatikan keinen Zweifel: Sie entschieden sich, die längst geplante Eheschließung nicht kurzfristig abzusagen, getreu ihres Ehe-Versprechens in guten wie in schlechten Zeiten zusammenzuhalten und sich nicht den neuen Vorschriften zu beugen.
„Großes Bedauern“ und ein unbeantworteter Brief
In einer Stellungnahme gab die Vatikanbank am Mittwoch bekannt, die Entscheidung „mit großem Bedauern“ getroffen zu haben. Auf diese Weise sollten „Transparenz und Unparteilichkeit“ in der Arbeit des Instituts gewahrt und „Vetternwirtschaft“ vermieden werden. Man wolle auf keinen Fall „das Recht zweier Menschen, sich in der Ehe zu vereinigen, infrage stellen“.
Umsonst hatten die Eheleute im August einen persönlichen Brief an den Papst gerichtet, um auf ihre Situation hinzuweisen. Eine Antwort gab es nicht. Auch die Gewerkschaft der Vatikanarbeitnehmer Adlv hatte versucht einzulenken, ohne Erfolg. Sogar Vermittlungsversuche einiger Kardinäle sollen fehlgeschlagen sein. Romeo und Julia aus dem Vatikan haben es allerdings wesentlich besser als das Shakespearesche Original. In der Tragödie bleibt den Liebenden nur der Freitod. Dem gekündigten Ehepaar bleibt noch die Vatikangerichtsbarkeit.