Nach einem mutmaßlich terroristisch motivierten Schusswechsel in der Nähe des israelischen Generalkonsulats in München, bei dem der Angreifer von der Exekutive erschossen wurde, sind am Freitag weitere Details über den zuletzt im Flachgau wohnhaften 18-Jährigen bekannt geworden. Bei dem Mann handelte es sich um keinen „klassischen Islamisten“. Während er sich am Donnerstag mit einer Langwaffe auf den Weg nach München machte, hatten Angehörige Abgängigkeitsanzeige erstattet.
„Es macht wütend, wenn man sich die Frage stellen muss, was noch alles passieren oder verhindert werden muss, damit an den Polizeibehörden das Handwerkzeug gibt, um auf Augenhöhe gegen Islamisten und Terroristen vorgehen zu können“, reagierte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) vor Medienschaffenden bei einem kurzfristig einberufenen Pressetermin im Innenministerium auf die jüngsten Ereignisse. Es brauche „zeitgemäße Ermittlungsmethoden, die „Bremser und Verhinderer“ müssten sich vorwerfen lassen, „dass sie Terroristen schützen.“
Statement von Innenminister Karner
Konkret verlangte Karner die rasche Umsetzung von vier Punkten, „damit die Exekutive und die Justiz konsequent vorgehen kann.“ Zum wiederholten Mal forderte der Innenminister die Überwachung von Messenger-Diensten. Weiters müssten die Deradikalisierungsprogramme ausgebaut und auf die Haftanstalten ausgeweitet werden, die teilweise als „Brutstätten“ des Islamismus gelten. „Wir müssen stärker in die Gefängnisse reingehen“, hielt Karner fest, der zugleich die Präventionsarbeit in den Schulen ausbauen will. Es werde mehr Präventionsbeamte geben, kündigte er an.
Darüber hinaus forderte der Minister die Wiedereinführung der bedingt obligatorischen U-Haft für schwere bzw. terroristische Straftaten für Jugendliche und eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes, „um stärker gegen den politischen Islam vorgehen zu können.“ Er werde „weiter hart dafür kämpfen“, sicherte Karner zu.
So lief der Kauf der Tatwaffe ab
Wie der APA aus Sicherheitskreisen bestätigt wurde, war jemand aus der Familie auf einer Salzburger Polizeiinspektion erschienen und hatte das plötzliche Verschwinden des Burschen gemeldet. Anzeichen dafür, dass dieser mit einem Karabiner älterer Bauart mit angebautem Bajonett in München das Feuer auf Polizeibeamte eröffnen würde, gab es nicht. Die mutmaßlich rund 100 Jahre alte Tatwaffe hatte der 18-Jährige am Mittwoch - am Tag vor der Tat - bei einem privaten Waffensammler im Salzburger Flachgau gekauft.
Wie Freitagmittag bei einem Hintergrundgespräch im Innenministerium erläutert wurde, hatte der Verkäufer die Kategorie-C-Waffe älterer Bauart, die repetiert werden musste, rund 14 Tage vor der Tat auf einer Online-Plattform, auf der Schusswaffen gehandelt werden, angeboten. Der 18-Jährige meldete sich bei dem Sammler, für 350 Euro und weitere 50 Euro für ein aufgepflanztes Bajonett wechselte die Waffe den Besitzer, teilte Franz Ruf, der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, mit. Der 18-Jährige erwarb auch 50 Schuss Munition.
Aufrechtes Waffenverbot
Der 18-Jährige war allerdings mit einem bis 2028 aufrechten Waffenverbot belegt und hätte das Gewehr daher nicht erwerben dürfen. Die Staatsanwaltschaft Salzburg hatte im Vorjahr wegen terroristischer Vereinigung (§278b StGB) gegen ihn ermittelt. Ihm war nach einer gefährlichen Drohung gegen Mitschüler und einer damit einhergehenden Körperverletzung das Handy abgenommen worden. Bei der Durchsicht des Geräts wurden drei Videos gefunden - der damals noch Jugendliche hatte Sequenzen eines Computerspiels aufgezeichnet, bei dem er mit einem Avatar unter Verwendung der Flagge der jihadistisch-salafistischen Al-Nusra-Front spielerisch terroristische Akte nachstellte.
Vater nahm Sohn als psychisch auffällig wahr
Während der Corona-Pandemie hatte sich der ältere von zwei Söhnen einer aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden Familie - die Eltern waren im Zuge der Kriegswirren aus ihrer Heimat nach Österreich gezogen und gelten als bestens integriert - zurückgezogen. Er wurde eher zum Einzelgänger, erfuhr in der Schule Sticheleien und Hänseleien. Der Vater erlebte seinen älteren Sohn als psychisch auffällig und soll deshalb versucht haben, mit einer Psychologin in Kontakt zu kommen.
Im Februar 2024 brach der Bursch die Schule ab, machte ein Praktikum und begann am vergangenen Montag eine Lehre in einem Maschinenbaubetrieb. Bis zum Mittwoch erschien er stets pünktlich zu Arbeitsbeginn. Als er am Donnerstag ausblieb, meldete sich der Arbeitgeber bei den Eltern des 18-Jährigen. Da dieser weder zu Hause noch telefonisch erreichbar war und auch das Fahrzeug der Familie fehlte, erstatteten die in einem Einfamilienhaus in Neumarkt am Wallersee lebenden Eltern Abgängigkeitsanzeige bei der örtlichen Polizeiinspektion.
Sie ahnten nicht, dass sich der 18-Jährige währenddessen mit der illegal erworbenen Langwaffe auf dem Weg nach München befand. Der 18-Jährige war von der Bezirksverwaltungsbehörde Salzburg-Land mit einem bis 2028 aufrechten Waffenverbot belegt worden. Die Staatsanwaltschaft Salzburg hatte im Vorjahr wegen terroristischer Vereinigung (§278b StGB) gegen ihn ermittelt. Ihm war nach einer gefährlichen Drohung gegen Mitschüler und einer damit einhergehenden Körperverletzung das Handy abgenommen worden.
Aus Sicht der Polizei „bestand der Verdacht, dass er sich religiös radikalisiert hatte, online einschlägig aktiv war und sich für Sprengstoff sowie Waffen interessierte“, wie die Salzburger Landespolizeidirektion dazu in einer Pressemitteilung feststellte. Dieser Verdacht erhärtete sich offenbar nicht. Das Salzburger Landesamt Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) übermittelte der Staatsanwaltschaft insgesamt fünf Berichte zum 18-Jährigen. Die Salzburger Anklagebehörde stellte im April 2023 die Ermittlungen zu den Terrorvorwürfen ein. Die zuständige Verwaltungsbehörde erließ gegen den Burschen in weiterer Folge ein Waffenverbot. Der 18-Jährige trat danach bis zum Donnerstagmorgen nicht mehr polizeilich in Erscheinung.
Deutsche Sicherheitskreise gehen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) davon aus, dass der Verdächtige einen Bezug zur islamistischen Gruppe HTS hatte. HTS steht für „Haiat Tahrir al-Sham“, eine militant-islamistische Miliz. Der bayerische Verfassungsschutz schreibt, dass HTS 2017 aus dem Zusammenschluss eines früheren Al-Kaida-Ablegers und einiger kleinerer militanter syrischer Gruppen hervorgegangen sei. Anders als Al-Kaida, die weiter Anschläge im Westen plane, konzentriere sich HTS auf Syrien und wolle den dortigen Machthaber Bashar al-Assad stürzen.
Hausdurchsuchung in Salzburg
Am Wohnsitz des 18-Jährigen in Neumarkt am Wallersee war nach dem vereitelten mutmaßlichen Terroranschlag bis weit in die Nachtstunden hinein eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Nach der APA vorliegenden Informationen wurden dabei keine weiteren Waffen und auch sonst keine verdächtigen Gegenstände - etwa Insignien von Terrororganisationen oder Propagandamaterial - entdeckt. Die Einrichtung des Zimmers des bei seinen Eltern lebenden Burschen soll keinerlei Hinweise auf einen allfälligen Bezug zu islamistischem Gedankengut aufgewiesen haben. Auch äußerlich wirkte der von der Polizei erschossene 18-Jährige nicht wie ein Islamist. Er trug keinen Bart und war mit einer roten Hose und einem mehrfarbigen Shirt bekleidet, als er sich nach München begab.
Dort waren am Freitagvormittag die Bereiche um den Tatort noch gesperrt. „Die Straßen sind frei, aber einzelne Gebäude oder Bereiche noch abgesperrt“, sagte ein Münchner Polizeisprecher. Es fänden noch Spurensicherungsmaßnahmen statt, es handle sich nach wie vor um einen Tatort.