Es ist ein einzigartiger Vorgang in der Insektenwelt und eine besonders spektakuläre Art der in der Forschung als Autothsyse oder suizidaler Altruismus bezeichneten Strategie, der an sich schon seit 2012 bekannt ist.
Ältere Arbeiterinnen der Termitenart Neocapritermes taracua (heimisch in Süd- und Mittelamerika) opfern sich dabei selbst, um ihre Kolonie vor Angriffen feindlicher Termiten zu schützen. Von chemischer Kriegsführung zu sprechen, ist dabei wohl keine Übertreibung. Mit dem Alter entwickeln die Arbeiterinnen nämlich zwei Taschen auf ihrem Rücken, die blaue Kristalle enthalten.
Kommt es zum Kampf, versuchen sich die Arbeiterinnen zunächst durch Beißen zu wehren. Wenn das nicht ausreicht, kommt es zur Kamikaze-Aktion. Sie schlitzen die Taschen selbst auf, dabei verbindet sich das blaue, kristallartige Enzym mit dem Speichel zweier Drüsen im Körperinneren unterhalb der Tasche – eine tödlich-explosive Mischung. Beim Platzen der Taschen gelangt das klebrige Gift auf die Angreifer und lähmt oder tötet diese. Die Arbeiterin stirbt dabei ebenfalls.
Je älter, desto tödlicher
Interessantes Detail: je älter die Arbeiterinnen, desto größer ist die Menge des giftigen Sekrets. Die Forschung geht davon aus, dass durch die zunehmende Schwäche und das Abstumpfen der Beißwerkzeuge im Alter die Arbeiterinnen weniger zur Nahrungsbeschaffung beitragen können und sie somit einen wichtigeren – und allerletzten – Dienst an der Kolonie leisten könnten: Verteidigung. Das deckt sich auch mit dem Verhalten – ältere Exemplare sind aggressiver als ihre jüngeren Artgenossen, wie Insektenforscher schon 2012 herausgefunden hatten.
Doch die chemischen Prozesse hinter diesem faszinierenden Vorgang blieben lange ein Rätsel, vor allem wie das Kristall so lange in festem Zustand bleiben kann, bevor es sich beim Platzen verflüssigt. Ein Team um die beiden tschechischen Forscherinnen Pavlína Řezáčová und Jana Škerlová vom Prager Institut für organische Chemie und Biochemie (IOCB) konnte dieses Rätsel nun lüften und fand mehrere Mechanismen. Zunächst ist das Enzym eng gefaltet – vergleichbar mit einem Stück Papier, das in eine kompakte Form gebracht wird. Zuckermoleküle dienen als zusätzlicher Schutzschild. Überrascht hat die Forscherinnen eine seltene und ungewöhnlich starke chemische Bindung zwischen zwei Aminosäuren (Lysin und Cystein), die normalerweise in Enzymen nicht vorkommt und wie ein spezieller Verriegelungsmechanismus wirkt.
Um das alles herauszufinden, wurde das kristallartigen Enzym (das im chemischen Sinn kein Kristall ist) mittels ausgeklügelter Verfahren untersucht und in einem dreidimensionalen Modell nachgebaut. Das war die Grundlage, um die Stabilisierung des Enzyms und dessen Umwandlung in flüssiges Gift im Ernstfall, zu rekonstruieren. „Die Struktur jedes einzelnen Atoms in einem Enzym zu kennen, ermöglicht uns, zu verstehen, wie genau ein Protein funktioniert. In diesem Fall, die biologische Reaktion beim Platzen, um einen Gegner zu schlagen“, erklärte Pavlína Řezáčová in einem Statement.