Die Geschichte ist abenteuerlich – und für den Hauptakteur ist sie nun zu Ende: Der mutmaßliche russische „Spionagewal“ Hvaldimir ist tot, der Meeressäuger wurde laut der NGO Marine Mind vor der Südwestküste Norwegens regungslos im Meer treibend entdeckt. Eine Obduktion soll Klarheit bringen, woran der Belugawal starb – äußerliche Verletzungen seien an ihm jedenfalls nicht entdeckt worden.
Im Mai 2019 – also knapp drei Jahre vor Beginn der russischen Invasion in der Ukraine – wurde der Wal erstmals im Norden von Norwegen gesichtet. Ein Fischer entdeckte das Tier nahe der Stadt Hammerfest – der Wal trug einen Gurt um den Körper, auf dem „Eigentum St. Petersburg“ stand. Der Verdacht liegt bis heute nahe, dass der Beluga bei der russischen Marine für Einsätze missbraucht wurde, zumal Videos offenbar antrainierte Verhaltensweisen zeigten, wie beispielsweise das Drehen seines Körpers im Wasser.
Sehr gut im Nachahmen
Bianca König von der Wal- und Delfinschutzorganisation WDC hält einen militärischen Einsatz von Walen für „realistisch“, wie sie im Interview zu Protokoll gibt: „Belugas gehören neben Großen Tümmlern und Orcas zu den Arten, die am häufigsten in Shows zum Einsatz kommen. Durch ihre neugierige Art und ihre hohe Intelligenz, die sich z. B. auch in freier Natur durch das Nachahmen von Verhaltensweisen anderer Arten zeigt, sind sie besonders offen für das Erlernen von Tricks.“ König sieht in dem – im Vergleich zu anderen Arten – flexibleren Kopfgelenk von Belugas einen Bewegungsvorteil, der für militärische Zwecke wohl hilfreich sein könnte.
Die Expertin vom WDC verweist in diesem Zusammenhang auch auf Delfine, die man ähnlich abrichtete: Eine Auswertung von Satellitenbildern deutete 2022 darauf hin, dass Russland die Tiere auf seinem Marinestützpunkt in Sewastopol im Schwarzen Meer zu militärischen Zwecken einsetzte. 2015 hatte die palästinensische Terrororganisation Hamas Berichten zufolge einen „Militärdelfin“ aus Israel gefangen genommen: Das Tier war darauf trainiert worden, an der Küste des Gazastreifens zu spionieren. Delfine werden auch zur Minensuche eingesetzt, außerdem halten sich Gerüchte über Abwehrprogramme gegen feindliche Taucher, berichtet König. Grundsätzlich drillen die amerikanische und die russische Marine bereits seit den 1960er-Jahren Delfine für Militäreinsätze.
Belugas, auch als Weißwale bekannt, sind Meeressäugetiere, die in arktischen und subarktischen Gewässern zu finden sind. Sie zeigen bemerkenswertes Rudelverhalten: Die drei bis sechs Meter langen und bis zu 1500 Kilogramm schweren Tiere leben in Gruppen von etwa zehn Walen, bei üppigem Nahrungsangebot können die Gemeinschaften auf Hunderte Exemplare anwachsen. Belugas sind in der Lage, eine große Anzahl verschiedener Laute hervorzubringen.
Suchte aktiv Nähe zu Menschen
Ein weiteres Indiz dafür, dass Hvaldimir für militärische Zwecke missbraucht worden war, war die Tatsache, dass er aktiv die Nähe zu Menschen suchte: Der Beluga ließ sich streicheln und füttern und erledigte Aufgaben, wie beispielsweise Spielzeug aus dem Wasser zu holen. Das Tier könnte sich zuvor aus Gefangenschaft befreit haben, Biologen gelang es, ihm ein Geschirr zur Befestigung einer Kamera abzunehmen. Dessen Zweck und Ursprung blieb unklar, der Kreml schweigt.
Bleibt noch zu erwähnen, wie der Beluga zu seinem Namen kam, für den er ebenso wenig kann wie für seine vermutliche Zweckentfremdung: Die Norweger tauften ihn „Hvaldimir“ – „Hval“ heißt auf Norwegisch schlicht „Wal“, die Endung „dimir“ hingegen ist eine Anspielung auf dessen mutmaßliche Verbindung zu Russland. Er bewahrte sich sein Geheimnis.