Israels Militär hat die Leichen von sechs Geiseln im Gazastreifen geborgen. Darunter befinde sich der US-israelische Staatsbürger Hersh Goldberg-Polin, gab US-Präsident Joe Biden am Sonntag in einer Mitteilung bekannt. Israels Außenministerium hatte kurz zuvor eine Erklärung der Angehörigen veröffentlicht, in der sie den Tod „ihres geliebten Sohnes und Bruders“ bekannt gaben. Israels Militär bestätigte später den Tod von sechs Geiseln.
Die Leichen seien aus einem unterirdischen Tunnel in der Umgebung von Rafah im Süden des Gazastreifens geborgen worden, teilt das Militär mit. Einem Armeesprecher zufolge wurden sie erst kurz vor der Entdeckung ihrer Leichen von den Entführern getötet. Die sterblichen Überreste würden nach Israel überführt. Obwohl am Samstag noch unklar war, ob es sich um die da gefundenen Leichen um israelischen Geiseln handelt, sorgte die Nachricht in Israel für Proteste.
Vermittlungsgespräche festgefahren
Die Geiseln waren bei dem überraschenden Überfall der Hamas und Kämpfer des verbündeten islamischen Jihad auf den Süden Israels am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt worden. Nach israelischen Angaben töteten die Extremisten dabei 1200 Menschen und verschleppten mehr als 250 Geiseln in den Gazastreifen. Bei den darauf folgenden israelischen Angriffen auf den Gazastreifen wurden nach Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde bisher mehr als 40.600 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet und fast 94.000 verletzt.
Im Laufe einer einwöchigen Waffenruhe Ende November ließ die Hamas 105 Geiseln frei. Im Gegenzug entließ Israel 240 palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen. Vereinzelt konnten Geiseln von der israelischen Armee befreit werden – teils unter hohem Blutzoll für die palästinensische Zivilbevölkerung bei diesen Militäreinsätzen, für die Israel international in der Kritik steht. Wie viele der im Gazastreifen verbliebenen Geiseln noch am Leben sind, ist nicht bekannt.
Ob es zu einer weiteren Vereinbarung über eine Waffenruhe und Freilassung von Entführten kommen kann, ist offen. Seit geraumer Zeit führen die USA, Ägypten und Katar in Kairo Vermittlungsgespräche über ein Abkommen, das eine Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln vorsieht. Die Gespräche sind allerdings festgefahren. Israel und die Hamas verweigern direkte Verhandlungen mit der Gegenseite. Hauptstreitpunkt ist die Frage, wie lange israelische Truppen am Philadelphi-Korridor an der Grenze zu Ägypten stationiert bleiben dürfen.
Angehörige wollen Geiseln mit Lautsprecher-Durchsagen erreichen
Die Eltern von Hersh Goldberg-Polin hatten vor kurzem auf dem Demokraten-Parteitag in Chicago an das Schicksal ihres Sohns erinnert. Am Donnerstag versammelte sich das Paar mit anderen Geisel-Angehörigen an der Grenze zum Gazastreifen. Die Angehörigen versuchten, die Geiseln im Gazastreifen mit lauten Lautsprecher-Durchsagen direkt zu erreichen. „Hersh, hier ist Mama“, wandte sich Goldberg-Polins Mutter an ihren Sohn. „Ich bete zu Gott, dass er dich zurückbringt. Jetzt sofort. Ich liebe dich, bleib stark.“
Der 23-Jährige war einer der insgesamt 251 verschleppten Geiseln. Rund 100 Geiseln sind noch in Gefangenschaft – Dutzende von ihnen sind nach Angaben des israelischen Militärs tot. Im April hatte die Hamas ein Video von Goldberg-Polin veröffentlicht. Darin beschuldigt er den israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu, die Geiseln in der Gewalt der Hamas „im Stich gelassen“ zu haben. Goldberg-Polin war israelischen Medien zufolge am 7. Oktober bei dem Hamas-Großangriff auf das Nova-Musikfestival in Südisrael schwer verletzt und anschließend entführt worden.
In der im April veröffentlichten Aufnahme ist er mit einem roten Hemd bekleidet und auf einem Plastikstuhl sitzend zu sehen, sein linker Arm ist amputiert. „Ich wollte mit meinen Freunden abhängen und fand mich stattdessen mit schweren Verletzungen am ganzen Körper um mein Leben kämpfend wieder“, sagt er darin.