Die Tat hatte Deutschland schockiert. Auf dem Fest zur 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen nahe Köln waren drei Menschen durch eine Messerattacke getötet und fünf weitere verletzt worden. Von einem „terroristischen Akt“ sprach Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) noch ehe der „Islamischer Staat“ (IS) die Urheberschaft der Tat reklamierte. Dann überschlagen sich die Ereignisse. In der Nacht zu Sonntag stellte sich ein Mann der Polizei und erklärte: „Ich bin der, den sie suchen.“
„Wir haben einen wirklich Verdächtigten“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Es handelt sich um einen 26-jährigen Mann, der im Dezember 2022 aus Syrien über Bulgarien nach Deutschland eingereist war. Nach Medienberichten sollte er im vergangenen Jahr abgeschoben werden, weil sein Asylantrag abgelehnt worden war, daraufhin soll er untergetaucht sein. Auf dem Radar der Fahnder als Gefährder tauchte er nicht auf. Als sich der Mann stellte, soll seine Kleidung blutverschmiert gewesen sein. Gestern wurde der er nach Karlsruhe gebracht und der Bundesanwaltschaft vorgeführt, die eine U-Haft verhängte. Ermittelt wird unter anderem wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS sowie Mordes.
Debatte um Waffenverbot nimmt Fahrt auf
Es ist der zweite tödliche Messeranschlag innerhalb von drei Monaten. Im Juni war in Mannheim ein Polizist erstochen worden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte zuletzt einen Vorstoß zu einer Verschärfung des Waffenrechts vorgelegt. Messer mit Klingen mit einer Länge von mehr als sechs Zentimetern sollen verboten werden. Am Sonntag gab die FDP ihre Zurückhaltung auf und deutete Zustimmung an. Ebenso die Grünen: „Hieb- und Stichwaffen braucht wirklich niemand. Wir leben nicht im Mittelalter“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Rund 9.000 Körperverletzungen mit Stichwaffen wurden im Vorjahr in Deutschland registriert – viele im häuslichen Bereich. Bereits während der Fußball-EM hatte es Messerverbotszonen gegeben, auch Nordrhein-Westfalen kennt solche Maßnahmen auf belebten Plätzen. Verhindern konnte die Regelung die Tat von Solingen nicht. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Wüst warnte daher am Wochenende. „Ich bin offen für jede Konsequenz.“ Er warnte aber auch: „Was immer wir tun, muss auch kontrolliert werden, damit es nicht hohl wird.“
Parteien überbieten sich mit Vorschlägen
Ein entscheidender Satz. Denn vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am kommenden Sonntag überbieten sich die Parteien mit Vorschlägen. SPD-Chefin Saskia Esken forderte Abschiebungen für Straftäter auch nach Afghanistan und Syrien. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz forderte ein Einreisestopp für Menschen aus Syrien, CSU-Chef Markus Söder forderte mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden. „Wir haben nicht die richtigen Instrumente, um auf Gewalt zu reagieren.“ Wüst warnte vor falschen Erwartungen: „All das muss am Ende kontrolliert werden.“ Der Staat muss also auch liefern.
Die Verletzten sind mittlerweile außer Lebensgefahr. In Solingen fand am Sonntag ein Trauergottesdienst statt. „Eigentlich wollten wir hier ein friedliches, buntes Fest feiern“, sagte Pastorin Friederike Höroldt. „Wir spüren in diesen Tagen unsere Hilflosigkeit und unsere Ohnmacht.“ Nicht nur Solingen wird Zeit brauchen, um wieder zur Normalität zu finden.