Hinter dem grünen Teppich der dichten Macchia sind die Überreste des legendären Glücksspieltempels auf der kroatischen Insel Krk von der Straße aus kaum zu erkennen. „Parking: 5 Euro“ weist im Norden des Küstenortes Malinska ein Schild plötzlich scharf nach links. Unzählige Graffitis überziehen verwitterte Betonfassaden: Von der 1972 eröffneten Nobelherberge des Haludovo Palace Hotel ist nur eine schaurige Ruine geblieben.
„Du musst nichts bezahlen“
„Wo kann man denn hier für das Parken bezahlen?“, fragt ein ratloser Familienvater, der mit seinem Sohn an der Hand über den verwaisten Parkplatz tigert. „Du musst nichts bezahlen. Nach fünf Uhr ist niemand mehr da“, entgegnet ihm ein Sonnenbrillenträger achselzuckend, bevor er mit seiner Badematte unter dem tätowierten Arm im Dickicht entschwindet.
Nichts mehr ist so, wie es einst war, im früher so exquisiten Haludovo-Hotel. Nur mit Mühe scheinen die brutalistischen Betonpfeiler ihre bröckelnde Last noch zu tragen. Als „hängenden Garten“ hatte der jugoslawische Stararchitekt Boris Magaš einst die futuristische Lobby (Bild) konzipiert. Längst überziehen jedoch herabgestürzte Verschalungen, Betonbrocken, angekokelte Balken und Möbelüberreste die kreisförmig angelegten Mauern der früheren Sitzecken.
1967 hatte das damals sozialistische Jugoslawien die Visumspflicht für ausländische Besucher aufgehoben: Entschlossen begann der Küstenstaat auf Deviseneinnahmen durch ausländische Touristen zu setzen. 1968 gab der staatliche Konzern Hoteli Brodokomerc in Rijeka den Bau eines 25 Hektar großen Luxusressorts in Auftrag. Doch es war vor allem der Einstieg eines schillernden US-Investors, der das 5-Sterne-Hotel in die Schlagzeilen katapultieren sollte: 45 Millionen Dollar pumpte Bob Guccione, der umtriebige Gründer des „Penthouse“-Magazins, in das „Penthouse Adriatic Club Casino“.
50 „Penthouse-Häschen“
Das Geschäftskonzept war simpel: Flugzeugladungen zahlungskräftiger Glücksspieler aus aller Welt sollten auf dem 1970 auf Krk eröffneten Flughafen Rijeka eingeflogen werden. Zumindest in den ersten Monaten nach der Eröffnung 1972 ließen aus dem Westen angereiste Glücksritter am Haludovo-Strand tatsächlich die Dollars springen. 50 als sogenannte „Penthouse-Häschen“ angeheuerte Hostessen aus New York betreuten gemeinsam mit lokalen Schönheiten die betuchten und nimmersatten Gäste. Die ließen sich in ihrer Dekadenz nicht lumpen: Die eingeflogenen Zocker verputzten in dem feinen Adria-Ressort täglich 100 Kilogramm Hummer, leerten Hunderte Flaschen Champagner.
Heute streicht im Haludovo-Hotel nur noch der Wind durch glaslose Fensterhöhlen. Vereinsamt führt ein geländerloser Treppentorso in der Lobby in schwindelnde Höhen. Schon Monate nach seiner spektakulären Eröffnung entpuppte sich das 1973 bankrotte Penthouse-Casino als gigantische Fehlinvestition. Betuchte Auslandszocker reisten in weit geringerer Zahl an, als von Guccione erhofft. Einheimischen war das Glücksspiel im sozialistischen Jugoslawien ohnehin streng verboten. Der desillusionierte US-Investor stieg aus. Doch das Haludovo-Ressort galt weiter fast zwei Jahrzehnte lang an der kroatischen Adria als eine der besten Adressen. Vom schwedischen Premier Olof Palme über den irakischen Autokraten Saddam Hussein bis hin zu Bunga-Bunga-Partykönig Silvio Berlusconi tummelte sich an den Strandbars und Pools der Jetset.
Musik gibt es im Hotel nun schon lange keine mehr zu hören, außer wenn der Bass wummernder Technorhythmen eines benachbarten Aquaparks durch die Überreste der verfallenen Strandbar dröhnt. Es waren die Schrecken des Kroatienkriegs (1991–1995), die das Ende des einstigen Luxusressorts einleiteten: Während des Krieges wurden Flüchtlinge einquartiert. Nach Kriegsende sollten nicht nur Plünderungen, sondern auch die fragwürdige Privatisierung und der rasche Wechsel zweifelhafter „Investoren“ für den Niedergang sorgen.
Revitalisierungsversuch 2018 scheiterte
Ein armenisch-russischer Geschäftsmann bot 2018 an, dem Komplex mit 250 bis 300 Millionen Dollar neues Leben einzuhauchen. Doch seine Auflage, den kompletten Küstenstrich zum hoteleigenen Privatstrand zu erklären, lehnten Anwohner und Stadtverwaltung von Malinska nach einer Bürgeranhörung ab: Bei deren Verwirklichung wäre den Einheimischen nicht nur der Zugang zum Haludovo-Strand, sondern auch der zum malerischen „Paradies“-Küstenweg ins sechs Kilometer entfernte Njivice verwehrt geblieben.
Kinder planschen am ausbetonierten Hotelbuchtstrand. „Gibt es eine Dusche?“, fragte ein noch bleicher Strandnovize. Der unaufhaltsame Verfall des Hotels in seinem Rücken scheint derweil kaum zu stoppen: Ein Investor ist ob der heute als viel zu klein geltenden Zimmer nicht in Sicht. Doch lieber eine Ruine im einmal gebräunten Rücken als ein geschlossener Privatstrand vor der Nase, scheint es.