Am Zürcher Utoquai liegt seit Montagmorgen ein etwa 16 Meter langer Pottwal, der starke Fischgerüche verbreitet. Männer in Schutzanzügen haben ein provisorisches Labor errichtet, bespritzen den Wal regelmäßig mit Wasser, nehmen Proben, vermessen ihn und filmen den Kadaver. Als sie einen Zahn entfernen, fließt rote Flüssigkeit aus dem Maul des Wals. Ein Absperrgitter hält Schaulustige zurück, die Fotos machen und spekulieren, wie der Wal dort hingekommen ist und ob er echt ist.
Die Mitarbeiter der „International Whale Association“ geben auf Englisch humorvolle Erklärungen ab, wie der Wal vielleicht über den Rhein in den Zürichsee gelangt sein könnte, oder dass es sich um einen seltenen Süßwasserwal handeln könnte. Spätestens bei der Vermutung, der Wal könnte einem russischen Oligarchen gehört haben, wird klar, dass es sich um eine Aktion von Umweltaktivisten handelt.
Der Meeresschutzverein Kyma bekannte sich später am Vormittag zu der Aktion auf sozialen Netzwerken. Zusammen mit dem belgischen Künstlerkollektiv Captain Boomer und dem Zürcher Theaterspektakel brachten sie den Wal nach Zürich, um auf den Meeresschutz aufmerksam zu machen. Captain Boomer hat bereits in mehreren Städten weltweit solche „Walstrandungen“ inszeniert, zuletzt im März in Adelaide, Australien. In Basel war zuvor eine Walattrappe beim Zoll kontrolliert worden und wurde später in Kloten auf einem Tieflader gesichtet.
Das Künstlerkollektiv erklärt auf seiner Website, dass die Strandung eines Wals immer ein magisches Ereignis gewesen sei und eine Metapher für die Störung unseres Ökosystems darstelle. Menschen fühlen sich von der Natur entfremdet, und das Spiel zwischen Fiktion und Realität verstärkt dieses Gefühl.
„Auch Schweiz muss zum Schutz der Meere beitragen“
Silvia Frey, Meeresbiologin bei Kyma, betonte in einer Mitteilung des Theaterspektakels, dass die Installation symbolisch zeige, dass auch die Schweiz zum Schutz der Meere beitragen müsse. Trotz Kläranlagen gelangen Chemikalien und Mikroplastik aus der Schweiz in die Flüsse und schließlich ins Meer, und auch die Erderwärmung, zu der die Schweiz beiträgt, hat negative Auswirkungen auf die Ozeane.
Die Kosten der Aktion konnte Philine Erni, die Medienverantwortliche des Theaterspektakels, nicht nennen, aber sie betonte, dass sich die Aktion gelohnt habe, da viele Schaulustige den Wal besuchten. Der „gestrandete Wal“ bleibt noch bis Mittwochabend am Utoquai liegen. Die Zürcher Stadtpolizei bestätigte, dass die Aktion genehmigt wurde.