Retouren: Um in dieses Thema unserer Zeit einzutauchen, vergegenwärtige man sich einige Zahlen: Laut Schätzung der Forschungsgruppe Retourenmanagement der Otto-Friedrich-Universität Bamberg wurden in Deutschland 2021 etwa 530 Millionen Pakete retourniert. Fast jede vierte verschickte Sendung ging auch schon wieder zurück. Tendenz: weiterhin stark steigend.
Hunderte Millionen Pakete
In Österreich stellte die Post 2023 um die 200 Millionen Pakete zu, dazu kommen Abermillionen von privaten Versandunternehmen. Anteil der Retouren: ähnlich hoch wie in Deutschland, drei von vier Österreichern, die Bekleidung bestellen, schicken diese zurück. Die Diskussion, ob kostenlose Retouren, die millionenfach vernichtet werden, die Wegwerfgesellschaft zusätzlich ermuntern, hält an.
In Deutschland – und unter anderem Namen auch in Österreich – sorgen nun Automaten, aus denen man sich für einen Fixbetrag Retouren herausdrücken kann, für Furore: „Secret Packs“, so heißt das Original, sind „Retouren, unzustellbare und annahmeverweigerte Pakete“, die man von unterschiedlichen Versandstellen bezieht und dann für 8,50 Euro weiterverkauft. Der Inhalt ist auch den Automatenbetreibern selbst völlig unbekannt, eine Überraschung zum Fixpreis, eine Wundertüte der modernen Bestell- und Entsorgegesellschaft.
Kommentar von Thomas Golser
Jürgen Keuters in Niederrieden im Unterallgäu gilt als Erfinder der Automaten. Im Interview betont er, „man wisse gar nichts zum Inhalt“. Alles könne man darin finden, niedrigpreisige Artikel, theoretisch aber auch ein Handy, das den Kaufpreis der Pakete um das Hundertfache übertrifft. Woher man die Ware bekommt, will er nicht verraten, insgesamt seien die Pakete „nicht so einfach zu bekommen“. Die Nachfrage ist ordentlich: „Es gehen ungefähr 20 Pakete in einen Automaten rein, wir befüllen ihn dann zwischen zwei und zehnmal pro Tag.“ Bimaxta Retouren betreiben derzeit zwölf Geräte, das deutschland- und europaweit erste nahm Keuters selbst in Betrieb. Zusammen mit Nachahmern sind es um die 25.
Ende 2023 kam ihm und seiner Frau Tatjana die findige Idee, zuvor hatte man Retouren über das Internet verkauft. Der familiäre Hintergrund: Die Tochter der Keuters hat einen Gendefekt, ist motorisch eingeschränkt – die Eltern wollen ihr für ihr weiteres Leben eine solide Basis geben und für eine behindertengerechte Wohnung sorgen. Er sieht aber noch einen anderen Sinn – Nachhaltigkeit: „Ein Großteil der Retouren wird bekanntlich entsorgt oder geschreddert, bei uns gibt es eine zweite Chance für die Produkte.“ Beiträge auf der Social-Media-Plattform TikTok kurbelten die Nachfrage beträchtlich an.
Einer der Franchisenehmer ist Franz Rank, der mit Frau Steffi „geheime Pakete“ in Gmund am Tegernsee verkauft. Im Gespräch verrät er einiges über deren möglichen Inhalt: Ob es nun diverse Haushaltswaren, kleineres Werkzeug, Elektronikartikel, ein Bikini, eine Silbermünze oder leidlich betörende Dessous sind – bis zu einer gewissen Größe ist die Bandbreite enorm.
Kundschaft „sehr bunt gemischt“
Die Kundschaft (am Wochenende kommt mehr), bezeichnet Rank als „sehr bunt gemischt“. Es können Jugendliche sein, die ihr Taschengeld investieren, aber auch Pensionisten auf Schnäppchenjagd. Nicht für alles hat man Gebrauch – so finden sich in den Paketen etwa auch Brautkleider: „Für etwas, mit dem man nichts anfangen kann, gibt es jemand anderen, dem man es schenken kann.“ Für viele zähle der Spaßfaktor: „Schauen, was drinnen ist.“
Nachschub für das Business, das auch in Klagenfurt, Wien, Vöcklabruck und Steyr – von anderen Anbietern betrieben – lockt, ist eigentlich endlos: In den Lagern der Automatenbetreiber stapeln sich ob unseres Konsumverhaltens Paletten mit Ware, die so eine zweite Chance bekommt.