Nach dem Flugzeugabsturz mit 62 Toten in Brasilien sind alle Leichen aus der Unglücksmaschine geborgen worden. Die sterblichen Überreste der 34 Männer und 28 Frauen seien „zur Identifizierung und Übergabe an ihre Familien in die Leichenhalle in São Paulo gebracht“ worden, teilte die Regionalregierung von São Paulo am Samstagabend (Ortszeit) mit. Unterdessen begannen Experten mit der Auswertung der Flugschreiberdaten, um die Absturzursache zu ermitteln.
Wie der Bürgermeister von Vinhedo, Dario Pacheco, mitteilte, wurden zwei der Opfer bereits anhand von Fingerabdrücken identifiziert. Seinen Angaben zufolge handelt es sich bei ihnen um den Piloten und den Co-Piloten. Ein Luftfahrtunglück gab es am Freitag auch in einem anderen südamerikanischen Staat: Beim Absturz eines Kleinfliegers in Chile starben sieben Personen.
Zunächst war in Brasilien von 58 Passagieren die Rede gewesen. Die Zahl der Fluggäste wurde nachträglich korrigiert. Das Flugzeug war von der Stadt Cascavel im Bundesstaat Paraná in Richtung Guarulhos in São Paulo unterwegs. Der Flughafen São Paulo-Guarulhos ist der größte Flughafen Brasiliens. Erst vor rund 19 Monaten kamen in Nepal beim Absturz des gleichen Flugzeugtyps ebenfalls Dutzende Menschen ums Leben.
Ermittlungen laufen
Nach dem Absturz beginnen nun die Ermittlungen zur Unfallursache. „Alles ist noch sehr verfrüht“, schränkte der Leiter des Zentrums für die Untersuchung und Vorbeugung von Luftfahrtunfällen (CENIPA), Marcelo Moreno, auf einer Pressekonferenz ein. Es werden demnach umweltbedingte und technische Faktoren genauso untersucht wie mögliches menschliches Versagen, um zu klären, wie es zu dem Absturz in der Stadt Vinhedo im Bundesstaat São Paulo kam.
Nach Angaben des Leiters der brasilianischen Behörde für die Untersuchung und Vermeidung von Flugunfällen (CENIPA), Marcelo Moreno, enthielten zwei aus dem Wrack geborgene Black Boxes Aufzeichnungen zu den Kabinengesprächen und den Flugdaten. Mit ersten Erkenntnissen aus den Ermittlungen ist laut der brasilianischen Luftwaffe binnen 30 Tagen zu rechnen.
Möglicherweise Bildung von Eis auf den Flügeln
Laut der Website Flightradar 24 flog das Flugzeug etwa eine Stunde lang in einer Höhe von rund 5000 Metern, bis es gegen 13.21 Uhr (Ortszeit; 18.21 Uhr MESZ) abrupt an Höhe verlor. Laut der Luftwaffe brach der Funkkontakt zu der Maschine um 13.22 Uhr ab. Die Besatzung habe „zu keinem Zeitpunkt einen Notfall ausgerufen oder sich in ungünstigen Wetterbedingungen befunden“, teilte die Luftwaffe mit.
Nach Angaben des Voepass-Betriebsleiters Marcel Moura wurde das Flugzeug vom Typ ATR 72-500 in der Nacht zuvor vor dem Unfall routinemäßig gewartet. Es seien „keine technischen Probleme“ festgestellt worden. Experten gehen jedoch davon aus, dass das Unglück möglicherweise auf Vereisung der Flügel zurückzuführen ist. Laut Moura besteht bei dem Flugzeugtyp „eine größere Empfindlichkeit gegenüber Vereisung“. Die Bedingungen am Freitag seien jedoch „innerhalb akzeptabler Parameter für einen Flug“ gewesen.
Staatstrauer angeordnet
Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ordnete dreitägige Staatstrauer an. Der Gouverneur von São Paulo, Tarcísio de Freitas, versprach alle notwendige Unterstützung. „Eine sehr traurige Nachricht. Mein ganzes Mitgefühl gilt den Familien und Freunden der Opfer“, teilte Lula zudem auf der Plattform X mit.
Flugzeug in Wohnsiedlung gestürzt
Örtliche Behördenvertreter teilten in Vinhedo mit, das Flugzeug sei 80 Kilometer nordwestlich der Wirtschaftsmetropole São Paulo hinter einer Baumgruppe in eine Wohnsiedlung gefallen. In einem Haus in der Nähe hätten sich zu dem Zeitpunkt Bewohner befunden. Am Boden sei aber niemand verletzt, sondern lediglich ein Gebäude beschädigt worden.
Eindrücke vom Unglücksort:
Eine Anrainerin, die ein Video des brennenden Flugzeugs gemacht hat, sagte im Fernsehsender UOL: „Ich habe noch nie in meinem Leben einen so lauten Knall gehört.“
Die Feuerwehr war nach eigenen Angaben mit Rettungsteams vor Ort. Krankenhäuser in Vinhedo waren in besonderer Bereitschaft. Neben der Feuerwehr seien auch der Zivilschutz und die Polizei im Einsatz, berichtete „G1“.
Auf Bildern und Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie ein Flugzeug bei klarem Wetter ins Strudeln kam und vom Himmel fiel. Dichter Rauch stieg anschließend auf. Daten der Plattform Flightradar 24 legen nahe, dass das Flugzeug in weniger als einer Minute um fast 4.000 Höhenmeter absackte.
Der Gouverneur von São Paulo, Tarcísio de Freitas, sagte: „Meine Solidarität gilt allen Opfern und den von dieser Tragödie Betroffenen.“ Er versprach alle notwendige Unterstützung. Der Unfall gehört dem Nachrichtenportal „UOL“ zufolge zu den tödlichsten in der Geschichte der brasilianischen Luftfahrt.
Flugzeug von brasilianischem Fußballclub 2016 verunglückt
In Erinnerung ist vielen etwa ein Absturz vom 28. November 2016, als das Flugzeug des brasilianischen Fußball-Clubs Chapecoense auf dem Weg nach Medellín zum Final-Hinspiel um die Copa Sudamericana, dem Südamerika-Pokal, in Kolumbien verunglückte. Damals starben 71 Menschen, darunter fast alle Spieler sowie Betreuer, Trainer und mitreisende Journalisten. Sechs Passagiere überlebten.
Die Unglücksmaschine vom Freitag war ein Turboprop-Passagierflugzeug vom Typ ATR 72. Das Modell ist ein Schulterdecker des französisch-italienischen Konsortiums Avions de Transport Régional. Im Jänner 2023 starben beim Absturz einer ATR 72-500, die sich in Nepal im Landeanflug auf den Pokhara International Airport befand, 72 Insassen, darunter vier Besatzungsmitglieder.
Kleinflieger in Chile abgestürzt: Sieben Tote
In Chile kamen beim Absturz eines Kleinflugzeugs unterdessen alle sieben Insassen ums Leben. „Der Pilot und seine sechs Passagiere starben“, teilte die chilenische Zivilluftfahrtbehörde DGAC am Freitag (Ortszeit) mit. Angaben zur Unglücksursache machte die Behörde zunächst nicht. Ein Vertreter der Regionalregierung teilte mit, die Staatsanwaltschaft und der gerichtsmedizinische Dienst seien angewiesen worden, eine Untersuchung einzuleiten.
Der Kontakt zu dem Flugzeug vom Typ Piper Navajo brach der Luftfahrtbehörde zufolge kurz nach seinem Start in Coyhaique rund 1700 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago ab. Wegen der schwierigen Wetterlage in der Bergregion war zunächst unklar, wann die Leichen der Opfer geborgen werden können. Laut einem Armeevertreter könnten die Bergungsarbeiten wegen einer heraufziehenden Schlechtwetterfront mit Schneefall mehrere Tage dauern.