Am Tag der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris haben mutmaßliche Brandanschläge auf technische Anlagen weite Teile des französischen Bahnverkehrs lahmgelegt. Geheimdienste und Sicherheitskräfte seien mobilisiert, „um die Täter dieser kriminellen Taten zu finden und zu bestrafen“, sagte Premierminister Gabriel Attal am Freitag. Nach Angaben der französischen Bahn SNCF waren etwa 800.000 Fahrgäste betroffen. Zunächst bekannte sich niemand zu den Aktionen.
„Diese Operation wurde vorbereitet und koordiniert, es wurden neuralgische Punkte ins Visier genommen“, sagte Attal. Er rief zur Vorsicht bei Spekulationen über das Profil der Täter auf. Zunächst bekannte sich niemand zu den Aktionen.
Fest stehe, dass diese sich im französischen Bahnnetz gut auskennen müssten, um zu wissen, wo sie angreifen, fügte Attal hinzu. Der Premierminister, der derzeit nur geschäftsführend im Amt ist, hatte am Mittag das Krisenzentrum im Verkehrsministerium aufgesucht.
An mehreren Pariser Bahnhöfen harrten unterdessen zahlreiche Reisende stundenlang aus, um Informationen über ihre Verbindungen zu erhalten. Am Bahnhof Montparnasse fuhr den gesamten Vormittag lang kein einziger Zug. Der Zugang zu den Gleisen war teils durch Gitter abgesperrt. Am Nachmittag sollte auf der Strecke zwischen Paris und Bordeaux nur etwa jeder dritte Zug fahren. Etwa ein Viertel der Eurostar-Verbindungen von Paris nach Brüssel oder London sollten ausfallen.
„Alles weist darauf hin, dass es sich um mutwillige Aktionen handelt“, sagte Verkehrsminister Patrice Vergriete. „Die Indizien deuten auf Brandstiftung“, fügte er hinzu.
Ein Sabotageakt wurde verhindert
Nach Angaben der Bahn waren drei Orte auf den TGV-Strecken nach Lille im Norden, Straßburg im Osten und Bordeaux im Westen betroffen. Ein weiterer mutmaßlicher Sabotageakt auf der Strecke nach Marseille wurde verhindert. An den betroffenen Orten wurden demnach jeweils Leitungen mit zahlreichen Glasfaserkabeln in Brand gesetzt, die für die Sicherheit der Züge und die Weichenstellungen wichtig sind.
Die Staatsanwaltschaft führt Ermittlungen wegen Schädigung von Staatsinteressen. Es bestehe zudem der Verdacht auf Sachbeschädigung mit gefährlichen Mitteln in einer organisierten Bande sowie Angriffe auf Datenverarbeitungssysteme. Im Fall einer Verurteilung drohen den Tätern bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe und 225.000 Euro Geldstrafe. Für die Ermittlungen ist die Abteilung zur Bekämpfung organisierten Verbrechens zuständig. Bis zum späten Vormittag gab es keine Hinweise auf mögliche Täter.
Ermittlungen zu Hintergründen laufen
Attal sprach von „koordinierten Sabotageakten“. Die Auswirkungen auf das Eisenbahnnetz am Tag der Eröffnung der Olympischen Spiele seien massiv und schwerwiegend, schrieb er auf X. Er denke an alle Franzosen, die sich auf ihren Urlaub vorbereiteten: „Ich teile ihre Wut und begrüße ihre Geduld, ihr Verständnis und ihren Bürgersinn, den sie an den Tag legen.“ Regionalpräsidentin Valérie Pécresse sprach im Sender France Info von einer „Tat der Destabilisierung“. Es sei „kein Zufall“, dass dies am Tag der Eröffnungsfeier geschehe, sagte sie dem Sender France Info. Zum möglichen Profil der mutmaßlichen Täter äußerte sie sich nicht.
SNCF-Chef Jean-Pierre Farandou sprach von einem „traurigen Tag“. „Es ist ein Anschlag auf die Urlaubsreisen, auf die Franzosen“, sagte er mit Blick auf das Wochenende drei Wochen nach Beginn der Sommerferien, an dem mit starkem Ferienverkehr zu rechnen war. Eine „Bande von Spinnern“ habe dies verhindert, erklärte er. „Wir können annehmen, dass die Anschläge geplant und kalkuliert waren“, sagte Farandou. Die Brandorte entsprächen Gabelungen. Der Zeitung „Le Parisien“ zufolge fanden die Anschläge in Vergigny, Courtalain, Croisilles und Pagny-sur-Moselle statt. Laut SNCF wurde eine Tat auf der Südost-Achse verhindert.
Tausende von SNCF-Mitarbeitern seien im Einsatz, um die Schäden zu reparieren. „Heute hätte ein großes Fest sein sollen, die Urlaubsreisen, die Eröffnung der Olympischen Spiele (...), all das ist nun dahin“, erklärte er. Die Bahn rief dazu auf, für den Freitag geplante Reisen nicht anzutreten. Die Fahrkarten würden zurückerstattet. Vom Pariser Bahnhof Montparnasse sollte bis 13.00 Uhr kein einziger Zug fahren. Der Bahnverkehr werde das ganze Wochenende über beeinträchtigt sein.
Ähnliche Sabotage-Akte hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben. Im Januar 2023, während der Proteste gegen die Rentenreform, hatten Unbekannte durch Feuer 600 Kabel beschädigt, was zu zahlreichen Zugausfällen führte.
In Paris findet am Abend die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele statt, zu der 326.000 Zuschauer erwartet werden, unter ihnen auch rund hundert Staats- und Regierungschefs. Vermutlich sind von dem Ausfall auch zahlreiche Zuschauer betroffen, die am Freitag per Bahn anreisen wollten.
Zwischenzeitlich musste am Freitag der Flughafen von Basel-Mulhouse geräumt werden. Nach einem Bombenalarm lief an dem französisch-schweizerischen Airport am frühen Nachmittag der Flugbetrieb wieder an.
Die ÖBB bieten als Direktverbindung drei Mal wöchentlich den Nightjet von Wien über Salzburg nach Paris an. „Die Nightjets fahren in Frankreich aber nicht über die TGV Strecken. Einschränkungen dieser Züge sind uns nicht bekannt“, hieß es auf APA-Anfrage.