Die dreimalige Goldmedaillen-Gewinnerin Charlotte Dujardin hat ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen in Paris nach dem Auftauchen eines belastenden Trainingsvideos zurückgezogen. In dem Video, das vor vier Jahren aufgenommen wurde, ist zu sehen, wie die Britin ihr Pferd innerhalb einer Minute 24 Mal mit der Peitsche schlägt. Der Weltverband FEI hat Dujardin daraufhin bis auf Weiteres gesperrt.
FEI-Chefveterinär Göran Akerström sprach von einem inakzeptablen Verhalten. „Es ist eindeutig ein erschütterndes Bild.“ Akerström erklärte, die FEI habe Maßnahmen ergriffen, um gegen ähnliche Verstöße vorzugehen. „Es geht darum, sicherzustellen, dass jeder, der in den Sport involviert ist, nichts tut, das dem Wohlergehen des Pferdes widerspricht.“
Der Vorfall kam ans Licht, als eine 19-jährige Reiterin, die vor zweieinhalb Jahren bei der Olympiasiegerin zuschaute, das Video aufnahm und es dem holländischen Anwalt Stephan Wensing übergab. Wensing erklärte, dass seine Mandantin damals „gewarnt“ wurde, aufgrund von Dujardins Ansehen im Sport keine Anzeige zu erstatten. Mit den Olympischen Spielen vor der Tür entschloss sich die junge Reiterin jedoch zu handeln und das Video zu veröffentlichen, berichten deutsche Medien.
Der Vorfall löste eine Welle der Empörung aus und wirft ein Schlaglicht auf die fortgesetzte Praxis der Misshandlung von Pferden im Reitsport. Dujardin selbst entschuldigte sich öffentlich und erklärte, dass das gezeigte Verhalten nicht ihre Trainingsmethoden widerspiegle. „Es gibt keine Entschuldigung. Ich schäme mich zutiefst und hätte in dem Moment ein besseres Beispiel abgeben sollen“, sagte sie.
Bereits bei den Olympischen Spielen in Tokio 2021 hatte ein Vorfall im deutschen Lager beim Modernen Fünfkampf für Aufsehen gesorgt. Die Athletin Annika Schleu war mit einem ihr zugelosten und völlig verunsicherten Pferd nicht zurechtgekommen, hatte verzweifelt Gerte und Sporen eingesetzt. Deutschlands Trainerin Kim Raisner hatte das Pferd mit der Faust geschlagen und gefordert: „Hau mal richtig drauf!“
Der Fall Annika Schleu
Der moderne Fünfkampf wird nach den Spielen in Paris ohne Reiten stattfinden. Die Tierschutzorganisation Peta forderte indes erneut ein pferdesportfreies Olympia.
Wiederholte Misshandlungen im Reitsport
Dieser Vorfall ist jedoch kein Einzelfall. Immer wieder geraten prominente Reiter und Reiterinnen in die Schlagzeilen, weil sie ihre Pferde misshandeln.
Fall Andrew Nicholson
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich 2018, als der neuseeländische Vielseitigkeitsreiter Andrew Nicholson dabei gefilmt wurde, wie er sein Pferd wiederholt mit der Gerte schlug. Die Aufnahmen sorgten für Entsetzen und führten zu einer kurzen Sperre durch die FEI. Nicholson zeigte wenig Reue und argumentierte, dass er lediglich Disziplin durchsetzen wollte. Trotz seiner Entschuldigung blieb ein bitterer Beigeschmack und eine Diskussion über die Grenzen der Trainingsmethoden im Reitsport.
Fall Patrik Kittel
Ein weiterer Skandal erschütterte die Reitwelt 2009, als der schwedische Dressurreiter Patrik Kittel wegen der Anwendung der umstrittenen Rollkur-Technik kritisiert wurde. In einem Video war zu sehen, wie Kittels Pferd durch die übermäßige Beugung des Halses offensichtlich Schmerzen litt. Die FEI reagierte mit einem Verbot dieser Methode, doch die Diskussionen über angemessene Trainingspraktiken gingen weiter.
Fall Amelie Kovac
2016 geriet die österreichische Dressurreiterin Amelie Kovac in die Schlagzeilen, als sie während eines Trainings ihr Pferd so hart schlug, dass das Tier Verletzungen davontrug. Kovac wurde von der FEI für sechs Monate gesperrt, und der Vorfall führte zu einer breiten Debatte über den Umgang mit Pferden im Spitzensport.
Kritik an der fortgesetzten Praxis
Die wiederholten Vorfälle von Misshandlung im Reitsport werfen ernsthafte Fragen über die Trainingspraktiken und die Verantwortung der Reiter auf. Es zeigt sich ein Muster von Gewalt und Zwang, das inakzeptabel ist. Trotz öffentlicher Empörung und kurzfristiger Sanktionen scheint sich wenig zu ändern. Oftmals folgen auf die Skandale nur vorübergehende Sperren oder Verwarnungen, die nicht ausreichend abschreckend wirken.
Die FEI und andere zuständige Verbände müssten strengere Regeln und Kontrollen einführen, um sicherzustellen, dass solche Misshandlungen nicht mehr vorkommen, fordern Liebhaber des Sports ebenso wie Experten und Tierschützer. Auch die Ausbildung der Reiter sollte verstärkt auf den respektvollen und ethischen Umgang mit Pferden hinweisen, so die Fachleute. Nur so könne der Reitsport seine Integrität bewahren und das Wohl der Tiere sicherstellen.
Es sei an der Zeit, dass der Reitsport eine grundlegende Veränderung durchläuft, um die Würde und das Wohl der Pferde zu schützen. Prominente Reiter wie Charlotte Dujardin, die als Vorbilder dienen, würden eine besondere Verantwortung tragen, einfühlsame und humane Trainingsmethoden zu praktizieren. Nur durch eine entschiedene Abkehr von Gewalt und Zwang könne der Reitsport eine zukunftsfähige und ethisch vertretbare Grundlage schaffen.