Ein idyllisches Paradies war Lignano nie, aber das musste es auch nicht sein. Ein Strand, viel Platz und kühles, sauberes Nass - kurzum alles, was das Urlauberherz braucht. Doch zumindest der letzte Punkt trifft nicht mehr auf den „Hausmeisterstrand Nummer eins“ zu. Denn obwohl Lignano 35-mal in Folge den „Blue Flag“-Award für saubere Wasserqualität von der Foundation for Environmental Education erhalten hat, scheint die Realität eine andere zu sein. Dort, wo es Jahr für Jahr zu Pfingsten „Tutto Gas“ heißt und Partyexzesse am Strand zur importierten Tradition der Österreicher geworden sind, gibt es Sand im Getriebe. Das legen zumindest Recherchen des renommierten „Dossier“-Magazins nahe. Demnach hätte der Badeort seit Jahren ein ungelöstes Problem mit seiner Kläranlage. Diese würde nicht für die Massen an Besuchern im Sommer ausgelegt sein. Das Ergebnis: Abwasser würde die Lagune bedrohen, „Grenzwerte zur Beurteilung der Qualität des Badewassers und der Genießbarkeit von lokalen Meeresfrüchten wurden überschritten“, attestiert das „Dossier“.
Im Winter Dorf, im Sommer Stadt
Gemessen wird der Verschmutzungsgrad von Abwasser durch den „Einwohnerwert (EW). Dieses Äquivalent beschreibt die Menge an organischen Verbindungen, die an einem Tag in die Kanalisation gelangen. Die Kläranlage von Lignano hat eine Kapazität von 86.400 EW (Einwohnerwert). Das Problem: Lignano ist – abseits der Saison – ein beschaulicher Badeort mit gerade einmal 7000 Einwohnern. Doch im Sommer verwandelt sich das Dörfchen in eine regelrechte Stadt. Zwischen Juni und August lag die durchschnittliche Besucherzahl in Lignano bei 122.000 Menschen. Am berühmt-berüchtigten Pfingstwochenende zwischen 17. und 20. Mai drängten sogar 257.000 Feierwütige in den Badeort. Über den grundsätzlichen Bedarf scheint man sich zumindest bewusst zu sein. Einer Erneuerung der Anlage wurde bereits 2004 gestartet. Zwanzig Jahre danach warten zwei von vier Abschnitten nach wie vor auf ihre Sanierung.
Aus Dokumenten der oppositionellen Fünf-Sterne-Bewegung, die der Kleinen Zeitung vorliegen, geht hervor, dass die örtliche Kläranlage für rund 720.000 Liter Wasser täglich ausgelegt sei. Durch den Zustrom von Touristen wurde dieser Wert aber überschritten, heißt es. „Die Anlage ist überholt. Es werden seit Jahren die technischen Vorschriften ignoriert“, sagt Christian Sergo von der Fünf-Sterne-Bewegung gegenüber der Kleinen Zeitung.
Badeverbote und miese Muscheln
Bekannt dürfte das Problem sein, zu oft musste man schon einschreiten. Die Gesundheitsbehörde „Azienda sanitaria universitaria del Friuli centrale“ (AsuFc) hatte schon 2023 ein Fangverbot für Mollusken sowie achtmal ein Verkaufsverbot von Muscheln verordnet. Zuvor hatten Untersuchungen eine erhöhte Konzentration Kolibakterien gezeigt, die im Ernstfall zu blutigem Durchfall oder Nierenerkrankungen führen können. Am 14. Juni 2023 traf es auch die Badegäste. Wenige hundert Meter vor der Küsten registrierten die regionale Umweltbehörde E.-coli-Bakterien in einer Konzentration von 1.013 KBE / 100 ml – der in Italien zulässige Grenzwert war um das Doppelte überschritten, die Qualität des Badegewässers war in Gefahr. Am Tag darauf wurde das Baden in der Umgebung verboten. Neu war das für Lignano nicht: Schon 2011 gab es einen ähnlichen Vorfall.
„Keine nennenswerten Probleme“ sieht hingegen Paolo De Alti von der Abteilung für Wasserwirtschaft der Region Friaul-Julisch Venetien auf Anfrage der Kleinen Zeitung. „Die Anlage ist in der Lage, ihre Funktion auch zu Spitzenzeiten zu erfüllen“, erklärt er. Die Abflüsse aus der Kläranlage würden darüber hinaus weniger als 0,02 Prozent der Abflüsse in die Lagune ausmachen. Die Kläranlage könnte also gar „keinen großen Einfluss auf das Gleichgewicht des Lagunensystems haben“. Dass die Einwohnerwerte, also die Kapazität der Kläranlage im Sommer eigentlich doppelt so groß sein müsste, lässt De Alti nicht gelten: „86.400 Einwohnergleichwerte sind eine theoretische Zahl. Der Fall von Lignano ist ganz anders gelagert, da die Nutzer sehr unterschiedlich sind, von der Winterzeit (einige tausend Einwohner) bis zur Hauptreisezeit, in der mehr als 100.000 Besucher kommen können, die jedoch einen anderen Wasserverbrauch als die normalen Besucher haben. Mit anderen Worten, die Zahl der Einwohnergleichwerte ist im Fall von Lignano von geringer Bedeutung.“
Politisch ist das Thema brisant. Linke wie rechte Parteien weisen seit Jahren auf die Mängel hin, wollen die Kläranlage erneuern. Gehör fand das Anliegen selten, auch weil die örtliche Wasserwirtschaftsbehörde kein großes Problem sieht. Dazu kommt: Die Region lebt vor allem vom Tourismus. Negative Berichterstattung über Wasserprobleme trüben das maritime Urlaubsbild. Laura Giorgi, seit 2022 Bürgermeisterin von Lignano, wollte sich zu den Vorwürfen bisher nicht äußern. Interviewanfragen von Kleine Zeitung und Dossier blieben unbeantwortet – Klärungsbedarf bleibt.