„Ekelhafte Besucher“, übertitelt die Zeitung Diario de Mallorca jene Nachricht, die auf der Ferieninsel zum diesjährigen Sommerthema werden könnte. Nach Haien, Quallen und beißenden Fischen sind es in dieser Hochsaison braune Krabbeltiere, die auf Mallorca für Schlagzeilen sorgen. „Die Kakerlaken sind unterwegs“, warnt die Zeitung. Die Einheimischen hätten sich zwar daran gewöhnt, dass diese Insekten jeden Sommer auftauchen, heißt es weiter. Doch bei Touristen könne die Begegnung mit dem Ungeziefer Abscheu und Panik auslösen.
„Es ist nicht verwunderlich, dass man in den aufgeheizten Straßen Mallorcas kleine braune Flecken herumlaufen sieht“, beschreibt das Inselblatt Ultima Hora die sommerliche Invasion. Vor allem in der Dunkelheit krabbeln die Kakerlaken, die von den Biologen Schaben genannt werden, aus der Kanalisation, aus Lüftungsschächten und aus Mauerritzen. In Südeuropa findet man sie oft in Kellern oder Küchen. Für Spanier ist diese Plage kein Grund zur Aufregung, denn das Getier war schon immer da.
Doch Experten sagen nun, dass der Klimawandel dazu beitrage, dass sich die Kakerlaken stark vermehren. Und dies nicht nur auf Mallorca, sondern in ganz Spanien. „Angesichts der Tatsache, dass in den letzten Jahren immer höhere Temperaturen erreicht wurden, die Hitze mitten im Frühling einsetzt und erst im Herbst endet, haben sich die Kakerlaken-Populationen vergrößert“, erklärt Jorge Galván, Chef des nationalen Verbandes der Schädlingsbekämpfer (Anecpla). Der Mittelmeerraum biete mit seinem feuchtwarmen Klima ideale Lebensbedingungen für diese Insekten.
Kakerlaken trotzen Insektengift
Aber nicht nur die Erderwärmung sei schuld. Zudem seien herkömmliche Insektengifte immer weniger wirksam, weil das Ungeziefer resistent gegen die chemischen Vernichtungsmittel werde. Eine Entwicklung, die Wissenschaftler schon vor längerer Zeit zu der Empfehlung brachte, sparsam mit Insektiziden umzugehen. Die Entstehung von Resistenzen kennt man bereits aus der missbräuchlichen Anwendung von Antibiotika, die zu Mutationen im Erbgut von Bakterien führen kann.
Ungezieferjäger Galván prophezeit, dass Spanien in den kommenden Monaten einen „erheblichem Kakerlaken-Befall“ erleben wird. Er warnt, dass die Schaben, die sich gerne aus Mülltonnen und Abwasserkanälen ernähren, Krankheitskeime verbreiten können. Deswegen müssten die Tiere vor allem dort, wo Hygiene wichtig sei, bekämpft werden. Anders als etwa Bettwanzen, die im vergangenen Jahr in Frankreich und Großbritannien im Sommer für Probleme sorgten, beißen oder stechen die Schaben aber nicht.
Für ein Restaurant kann das Auftauchen von Kakerlaken katastrophale Folgen haben. So wie es vor Kurzem mit einem Gasthaus in der Costa-del-Sol-Stadt Málaga geschah. Nachdem städtische Kontrolleure die „massive Präsenz von lebenden und toten Kakerlaken“ in der Wirtschaft feststellten, wurde das Restaurant stillgelegt. Diese Invasion war ein typischer Fall für die professionellen Schädlingsbekämpfer, die immer dann gerufen werden, wenn nicht nur ein paar einzelne Schaben herumkrabbeln, sondern sie gleich in Armeestärke gesichtet werden.
Kammerjäger feiern Rekordumsätze
Dass sich diese Insekten in Südeuropa tatsächlich zunehmend vermehren, signalisieren auch die Bilanzen der Ungezieferjäger. Das Geschäft blüht, die Zahl der Desinfektionseinsätze steigt, die Branche meldet Rekordumsätze. Seit Januar hätten die Hilferufe in Sachen Kakerlaken auf Mallorca wie in anderen spanischen Regionen um mehr als 30 Prozent zugenommen, heißt es.
Urlauber können trotzdem beruhigt nach Spanien reisen. Die Hygienestandards in Hotels und in der Gastronomie sind hoch. Es ist somit unwahrscheinlich, dass man in der Ferienunterkunft oder beim Speisen eine unerwünschte Kakerlaken-Begegnung hat. Und wenn doch, sollte man dies dem Personal melden.
Das beste Gegenmittel ist laut dem Ungezieferexperten Jorge Galván vor allem eines: „Achten Sie auf Sauberkeit.“ Mülleimer sollten geschlossen sein, Speisereste sorgfältig beseitigt werden. Sollte trotzdem einmal eine Kakerlake aus einer Bodenritze klettern, empfiehlt sich die bewährte spanische Traditionsmethode: mit dem Schuh einmal kräftig auf den ungebetenen Besucher treten.
Ralph Schulze