Die Hagelkörner werden in Europa immer größer, wie Daten der Europäischen Unwetterdatenbank für das Jahr 2023 zeigen. Im vergangenen Jahr gab es demnach 9627 Berichte über Hagelkörner mit einer Größe von mehr als zwei Zentimetern. 1931 Meldungen betrafen sehr große Hagelkörner (mehr als fünf Zentimeter) und 92 Berichte sogar Riesenhagel mit mehr als zehn Zentimetern Größe, so das internationale Unwetterforschungsinstitut ESSL (European Severe Storms Laboratory).

Rekordverdächtige Saison

Das Jahr 2023 ist laut ESSL, das in Wiener Neustadt ein Forschungs- und Trainingszentrum hat, die dritte rekordverdächtige Hagelsaison in Folge. Neben den reinen Meldezahlen war auch die Anzahl der Tage mit großen Hagelkörnern überduchschnittlich hoch. Es gab 229 Tage mit großem Hagel, 96 Tage mit sehr großem Hagel und 13 Tage mit Riesenhagel. Die Daten reichen bis zum 20. Jänner 2024.

Dass die Anzahl der Meldungen so hoch war, könnte laut ESSL auch daran liegen, dass die Erfassung der Daten effizienter wurde. So trugen private Beobachter – also Bürgerinnen und Bürger – maßgeblich zu den Meldungen bei. Zudem kam es 2023 zu sehr lang anhaltenden Hagelstürmen, die an vielen Orten große Hagelkörner erzeugten. Zum Vergleich: 2022 gab es fünf Hagelstürme auf einer Länge von mehr als 200 Kilometern. Im Jahr 2023 gab es 13 solche Hagelstürme, wobei eine besonders langlebige Superzelle einen 686 Kilometer langen Hagelstreifen erzeugte, der sogar fünf Länder betraf.

Frankreich vor Italien

Das Land mit den meisten Großhagelmeldungen war Frankreich mit 1502 Fällen, dicht gefolgt von Italien mit 1468 Meldungen. Bei den verheerendsten Hagelstürmen lag Italien jedoch mit 596 Meldungen sehr großer und 67 Meldungen riesiger Hagelschauer an der Spitze, verglichen mit 280 und zehn Meldungen in Frankreich. Das am dritthäufigsten von Großhagel betroffene Land war Deutschland mit 1270 Meldungen, von denen 142 sehr großen Hagel betrafen.

Rekorde wurden nicht nur bei den Mengen an großem und sehr großem Hagel gebrochen, sondern auch bei den maximalen Hagelgrößen. Europas größtes, fotografiertes Hagelkorn wurde in Italien innerhalb von nur fünf Tagen zweimal registriert. Am 19. Juli wurde ein Hagelkorn mit 16 Zentimetern Durchmesser gemeldet, am 24. Juli sogar eines mit 19 Zentimetern Durchmesser. In beiden Fällen wurden die Hagelgrößen mithilfe von Referenzobjekten geschätzt, die in der Nähe der Hagelkörner platziert wurden, betonte ESSL. Auch das schwerste amtlich gewogene Hagelkorn fiel am 24. Juli mit einem Gewicht von 484 Gramm. Das Hagelkorn hatte einen Durchmesser von 13 Zentimetern. Deshalb wird angenommen, dass die größten am 19. oder 24. Juli beobachteten Hagelkörner wahrscheinlich deutlich mehr gewogen haben. Neben Italien waren auch andere Länder von riesigen Hagelkörnern betroffen. In Slowenien erreichte der größte Hagel 13,8 Zentimeter Durchmesser, in Bulgarien und Kroatien jeweils 13 Zentimeter, in Frankreich, Spanien und Bosnien jeweils elf Zentimeter sowie in Deutschland und Russland jeweils zehn Zentimeter Durchmesser.

Rund zwölf Milliarden US-Dollar Schaden

Die dadurch entstandenen Schäden waren enorm: Mindestens 328 Menschen wurden durch Hagel verletzt, die tatsächliche Zahl dürfte weitaus höher liegen. Die meisten Verletzten (242) wurden aus Italien gemeldet. Hagel verursachte auch enorme wirtschaftliche Schäden. Laut dem Rückversicherer Munich-RE kosteten Hagelstürme in Italien Milliarden von US-Dollar, und der Gallagher-RE-Bericht bezifferte die Zahl auf drei Milliarden US-Dollar (rund 2,77 Milliarden Euro), wobei sich die Gesamtschadenskosten für die Unwetter in Europa auf etwa zwölf Milliarden US-Dollar belaufen.

Pieter Groenemeijer von ESSL berichtete im Ö1-Morgenjournal, dass die Zunahme der starken Hagelunwetter vor allem im Alpenraum beobachtet wurde. Demnach sei in Norditalien die Wahrscheinlichkeit für Hagelkörner mit fünf Zentimeter Durchmesser um 300 Prozent größer als vor 1990. In Österreich habe sich die Zahl der Hagelunwetter laut Groenemeijer verdoppelt, dies sei vor allem im Süden des Landes zu beobachten. Die Zunahme an Hagelunwetter in Europa habe mit den wärmeren Meerestemperaturen im Mittelmeer zu tun, berichtete Ö1. Durch das Verdunsten gelange mehr Energie in die Atmosphäre, die in Gewitterwolken aufsteigt und für starke Aufwinde sorge. „Je stärker der Aufwind ist, desto größer kann der Hagel werden“, sagte Groenemeijer in Ö1.