WikiLeaks-Gründer Julian Assange ist nach Angaben seines Halbbruders vor seiner bevorstehenden Rückkehr nach Australien aufgeregt, aber gleichzeitig auch ängstlich. „Julian hat sich auf diesen Flug vorbereitet und er war sehr aufgeregt, aber auch ein wenig besorgt, vor allem aber aufgeregt, nach all den Jahren frei zu sein“, sagte Gabriel Shipton am Dienstag dem australischen Sender ABC. „Hoffentlich ist er bald zu Hause. Er ist jetzt fast wieder zurück, also glaube ich wirklich nicht, dass es da noch Probleme geben wird“, so Shipton.

Inzwischen ist das Flugzeug von Assange am Dienstagabend nach dem mehrstündigen Zwischenstopp in Bangkok in Richtung Westpazifik gestartet. Auf der Plattform „flightradar24“ war die Flugnummer VJT199, die Assanges Frau Stella und WikiLeaks zuvor in sozialen Medien genannt hatten, die von Nutzern weltweit am meisten beobachtete Verbindung.

Assanges Ehefrau bestätigte eine grundsätzliche Einigung des WikiLeaks-Gründers mit der US-Justiz. Im Rahmen der Vereinbarung werde sich der 52-Jährige in Bezug auf einen Anklagepunkt im Zusammenhang mit dem US-Spionagegesetz schuldig bekennen, sagte Stella Assange am Dienstag der BBC. Im Gegenzug muss der Australier nicht mehr in den USA in Haft. Der Deal müsse aber noch von einem Gericht auf dem US-Außengebiet Nördliche Marianen im Westpazifik bestätigt werden, sagte seine Ehefrau. „Sobald die Richterin es unterzeichnet hat, ist es formell real.“

Die Anwältin und Aktivistin wartete mit den beiden gemeinsamen Kindern in Australien auf Assange. In einem Post auf X veröffentlichte sie ein Foto, das sie beim Videotelefonat mit ihrem Ehemann zeigt. „Julian ruft gestern Abend (bei ihm tagsüber) vom Flughafen Stansted in London am Weg nach Sydney an“, schrieb sie dazu. Assange war nach WikiLeaks-Angaben am Montag aus dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh entlassen worden und am Nachmittag aus Großbritannien ausgereist.

Der BBC sagte Stella Assange über die Freilassung ihres Ehemannes: „Ehrlich gesagt, ist es einfach unglaublich, es fühlt sich an, als wäre es nicht real.“ Die vergangenen Tage hätten einen Sturm der Gefühle ausgelöst. Sie habe noch keine Zeit gehabt, zu besprechen, was das Paar nach der Freilassung tun werde. Priorität habe, dass Julian Assange „wieder gesund wird – er ist seit fünf Jahren in einem schrecklichen Zustand“.

Die Kinder hätten ihren Vater nie außerhalb seines Londoner Hochsicherheitsgefängnisses gesehen. „Alle ihre Interaktionen mit Julian haben in einem Besucherraum im Gefängnis Belmarsh stattgefunden“, sagte Stella Assange. „Es war immer nur für etwas mehr als eine Stunde. Es war sehr restriktiv.“

Weil der Deal, den Assange mit der US-Justiz geschlossen hat, so heikel sei und noch von einer US-Richterin abgesegnet werden müsse, sei die Familie sehr vorsichtig vorgegangen. „Sie wissen es immer noch nicht. Wir sind sehr vorsichtig, denn natürlich kann niemand einen Fünf- und einen Siebenjährigen davon abhalten, es jederzeit von den Dächern zu schreien“, sagte Stella Assange.

In einem Video rief die Ehefrau von Julian Assange dessen Unterstützer zur Hilfe für den Wikileaks-Gründer nach seiner Freilassung auf. „Wir beabsichtigen, einen Notfallfonds einzurichten für Julians Gesundheit und Genesung“, sagte Stella Assange in dem Clip, der in der Nacht auf Dienstag auf YouTube veröffentlicht wurde. „Ich bitte euch, wenn ihr könnt, einen Beitrag zu leisten und uns beim Übergang in diese neue Phase der Freiheit von Julian zu helfen.“ Das Video wurde den Angaben zufolge am 19. Juni aufgezeichnet. Darin steht Stella Assange vor dem Londoner Gefängnis Belmarsh, in dem Assange mehr als fünf Jahre inhaftiert war. WikiLeaks-Chef Kristinn Hrafnsson sagt: „Wenn ihr dies seht, heißt das, dass er draußen ist“, hieß es.

Die Vereinten Nationen begrüßten die Freilassung des WikiLeaks-Gründers. „Wir begrüßen die Freilassung von Julian Assange aus der Haft im Vereinigten Königreich“, sagte die Sprecherin des UNO-Menschenrechtsbüros, Liz Throssell, am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Sie fügte aber hinzu, dass Assanges Verständigung mit der US-Justiz noch endgültig abgesegnet werden müsse.

„Wie wir wiederholt festgestellt hatten, warf dieser Fall eine Reihe von Menschenrechtsfragen auf“, sagte Throssell weiter. Auch habe die immer länger andauernde Inhaftierung Assanges „weitere Fragen aufgeworfen“, so die Sprecherin. „Wir werden die Entwicklungen über die kommenden Tage weiter verfolgen.“

„Guter Tag für Menschenrechte“

Die SPÖ-Sprecherin für Außenpolitik, Petra Bayr, begrüßte die Nachricht von der Freilassung Assanges. „Hier wurde ein Aufdecker von Menschenrechtsverletzungen weit schwerer verfolgt, als das oft bei denen geschieht, die tatsächlich Menschenrechte brechen“, unterstrich sie am Dienstag in einer Aussendung. Sie erwarte sich nun auch „die Einhaltung aller Zusagen seitens der US-Behörden und ein faires Verfahren“.

Die Grünen sprachen von einem „guten Tag für die Menschenrechte“: „Der Aufdecker von Kriegsverbrechen hätte schon längst in Freiheit sein sollen. Es war höchste Zeit, dass nun endlich eine Einigung gelungen ist“, erklärte Mediensprecherin Eva Blimlinger laut einer Pressemitteilung. Das Schicksal von Assange „war und ist untrennbar mit jenem der Informations- und Meinungsfreiheit verbunden“: „Wenn journalistische Enthüllungsarbeit strafrechtlich verfolgt wird, steht eine der wichtigsten Säulen unserer Demokratie auf dem Spiel.“

Assange wurde zunächst mit einem Flugzeug nach Bangkok gebracht, wo ein geplanter Zwischenstopp zum Tanken eingelegt wurde. Laut Gerichtsdokumenten hat der Australier zugestimmt, sich in einem einzigen Anklagepunkt der Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von als geheim eingestuften US-Verteidigungsdokumenten schuldig zu bekennen. Die Einigung muss allerdings noch gerichtlich absegnet werden.

Laut Gerichtsdokumenten hat der Australier zugestimmt, sich in einem einzigen Anklagepunkt der Verschwörung zur Beschaffung und Weitergabe von als geheim eingestuften US-Verteidigungsdokumenten schuldig zu bekennen. Die Einigung muss allerdings noch gerichtlich absegnet werden. Der 52-Jährige soll den Plänen nach am Mittwoch um 9 Uhr (Ortszeit, 1 Uhr MESZ) vor einem Gericht auf den Marianeninseln erscheinen. Die Inselgruppe liegt nördlich von Assanges Heimat Australien und steht unter Hoheitsgewalt der USA. Das US-Gericht könnte ihn zu 62 Monaten Haft verurteilen, die er aber bereits in Großbritannien verbüßt hat. Damit könnte Assange in seine Heimat Australien zurückkehren.

Die Eltern von WikiLeaks-Gründer Julian Assange haben sich nach der Freilassung ihres Sohnes erleichtert gezeigt. „Ich bin dankbar, dass das Martyrium meines Sohnes endlich zu Ende geht“, teilte Assanges Mutter Christine Assange am Dienstag in einer vom australischen Sender ABC veröffentlichten Erklärung mit. „Das zeigt die Bedeutung und Macht der stillen Diplomatie.“

Viele hätten die Situation ihres Sohnes ausgenutzt, um ihre eigene Agenda zu verfolgen, fuhr sie fort. Daher sei sie den „unsichtbaren, hart arbeitenden Menschen dankbar“, die das Wohlergehen ihres Sohnes an erste Stelle gesetzt hätten. Die vergangenen 14 Jahre seien für sie als Mutter sehr belastend gewesen, erklärte Christine Assange weiter. Sie bitte darum, ihre Privatsphäre zu respektieren.