Bislang war der Vatikan ein beliebter Arbeitgeber in Rom. Wer einen festen Job im kleinsten Staat der Welt hatte, wurde von anderen beneidet. Gute Arbeitszeiten, überdurchschnittliche Löhne, Privilegien wie Tanken zu Schleuderpreisen, alles in allem beliebte Jobs. Wendet sich nun das Blatt? Dutzende Vatikan-Angestellte drohen dem Papst mit einer Klage, falls sich die Arbeitsbedingungen im Vatikan nicht ändern sollten.
Insider berichten, seit Monaten liefen Gespräche mit der Vatikan-Verwaltung, aber „jede Art von Dialog wird zurückgewiesen“. Ein schlimmer Verdacht beschleicht das katholische Rom: Macht sich Papst Franziskus nur äußerlich für die Rechte der Schwächeren stark, während er im Inneren des Vatikans überhaupt keine Gnade kennt?
Unmut über Jahre angestaut
Wie am Wochenende bekannt wurde, drohen 49 Vatikan-Angestellte dem Vatikan mit einer Sammelklage. Fast alle der aufrührerischen Angestellten arbeiten als Aufseher in den weltberühmten Vatikanischen Museen, die insgesamt 700 Mitarbeiter haben. „Wir haben jetzt 49 Personen, aber ich denke, diese Zahl wird in den kommenden Tagen noch steigen“, sagte Rechtsanwältin Laura Sgrò über die potenziellen Kläger. Sgrò ist im Vatikan als Unruhestifterin bekannt, sie betreut auch die Familie der 1983 unter bislang nicht geklärten Umständen verschwundenen Vatikanbürgerin Emanuela Orlandi.
Die Anwältin behauptet, es sei schon oft sei versucht worden, die Missstände durch individuelle Anfragen aufzulösen, aber ohne Erfolg. „Das Unwohlsein beginnt sich auch auf andere Abteilungen des Stadt-Staates auszudehnen“, schrieb der Corriere della Sera am Montag. Die Zeitung hatte als erste über die angedrohte Sammelklage berichtet. Der Unmut im Vatikan hat sich offenbar über Jahre angestaut. „Der Papst spricht von Gerechtigkeit, wir werden hingegen als bloße Ware behandelt“, zitiert die Zeitung einen anonymen Mitarbeiter.
Für Arztbesuche bestraft
Die Mitarbeiter fordern mehr Arbeitnehmerrechte und kritisieren den Umgang des Vatikans mit seinem Personal. Im Detail geht es etwa um die Arbeitnehmer-Pflichten im Krankheitsfall. Mitarbeiter seien in der Vergangenheit bestraft worden, obwohl sie nur kurz beim Arzt gewesen seien. Überstunden würden schlechter bezahlt als Dienst in der regulären Arbeitszeit. „Nach sechs Stunden auf den Beinen sind wir gezwungen unseren Dienst bei geringerem Lohn fortzusetzen“, klagen die Museums-Aufseher.
Sie fühlen sich durch ihren Arbeitgeber, die Vatikanverwaltung im sogenannten Governatorat, „missbraucht“. Damit nicht genug: Wer nach vielen Dienstjahren eine Prämie bekommt, würden Vorgesetzte willkürlich entscheiden. Es fehle im Vatikan außerdem jegliche Unterstützung für Arbeitslose. Gefordert wird insgesamt, dass der Vatikan sein Arbeitsrecht an die Standards in anderen europäischen Staaten angleicht. Mängel soll es auch im Bereich Sicherheit geben: Statt der 24.000 erlaubten Besucher würden täglich bis zu 30.000 Menschen durch die Vatikanischen Museen mit der Sixtinischen Kapelle geschleust. Es seien zu wenige Notausgänge vorhanden, Besucher würden im Sommer wegen mangelnder Klimaanlagen kollabieren. Auch sei zu wenig Sicherheitspersonal vor Ort.
Pandemie-Finanzloch und Missmanagement
Im Vatikan, der insgesamt rund 4600 Angestellte hat, gibt es weder Gewerkschaften noch werden Tarifverträge ausgehandelt. In der letzten absoluten Monarchie Europas entscheidet der Papst per Dekret. So geschehen im November 2023, als Franziskus per Motu proprio im Handumdrehen die Jubiläumsprämien für altgediente Mitarbeiter aussetzte. Zuvor hatte der Vatikan verfügt, dass Angestellte, die während des Lockdowns in der Corona-Pandemie zu Hause bleiben mussten, Gehaltseinbußen hatten.
Ein Grund für die harte Hand dürften die angespannten Vatikan-Finanzen sein. Die Einbußen in der Pandemie waren groß, noch 2022 verbuchte der Vatikan ein Minus von 33 Millionen Euro. Aber auch selbst verschuldetes Missmanagement wie beim Kauf und Verkauf einer Luxusimmobilie in London verursachten riesige Haushaltslöcher. Bei jenem dem Geschäft machte der Vatikan rund 150 Millionen Euro Minus.