In einer ungewöhnlichen, allerdings aufschlussreichen Gerichtsentscheidung in Belgien wurde ein 40-jähriger Autofahrer freigesprochen, obwohl er bei Verkehrskontrollen im April und Mai 2022 Alkoholwerte von 2,1 bzw. 1,6 Promille aufwies. Der Grund für den Freispruch liegt in einer seltenen medizinischen Kondition, die als Eigenbrauer-Syndrom (oder Auto-Brewery-Syndrom) bekannt ist.
Das Eigenbrauer-Syndrom ist eine seltene medizinische Anomalie, bei der übermäßiges Hefewachstum im Darmtrakt eine ungewollte alkoholische Gärung hervorruft. Diese Hefe wandelt Zucker und stärkehaltige Lebensmittel im Verdauungssystem in Alkohol um. Betroffene produzieren somit ungewollt Alkohol, der direkt in ihren Blutkreislauf gelangt, ähnlich wie wenn man alkoholische Getränke konsumiert.
Ständiges Gefühl der Trunkenheit
Dieser Zustand kann zu einem ständigen Gefühl der Trunkenheit führen, ohne dass tatsächlich Alkohol von außen zugeführt wird. Interessanterweise kann die Intensität der Symptome variieren, von leichter Benommenheit bis hin zu schwerer Trunkenheit, abhängig von der Menge der aufgenommenen Zucker und Stärken sowie der Aktivität der Hefe im Darm.
Die Diagnose des Syndroms ist komplex und erfordert spezialisierte medizinische Tests. Oft werden Patienten fälschlicherweise der Trunkenheit oder des Substanzmissbrauchs beschuldigt, bevor die wahre Ursache ihrer Symptome identifiziert wird. Die Behandlung des Eigenbrauer-Syndroms kann eine spezielle Diät erfordern, die darauf abzielt, die Menge an fermentierbaren Substanzen zu reduzieren, sowie antifungale Medikamente, um das Wachstum der Hefe zu kontrollieren.
Selten vor Gericht anerkannt
Die Fälle, in denen das Eigenbrauer-Syndrom vor Gericht anerkannt wird, sind selten, was den Fall des belgischen Autofahrers besonders bemerkenswert macht. Sein Freispruch unterstreicht die Bedeutung einer genauen medizinischen Diagnostik und das Bewusstsein für seltene medizinische Zustände in rechtlichen Auseinandersetzungen. Es zeigt auch, dass medizinische Bedingungen manchmal unerwartete und weitreichende Folgen haben können, die über das Gesundheitssystem hinausgehen und rechtliche sowie ethische Fragen aufwerfen.