Im Vorfeld der Einsetzung eines Übergangsrates zur Bildung einer neuen Regierung kommt Haiti nicht zur Ruhe. Bewaffnete Banden haben erneut Teile der Hauptstadt Port-au-Prince angegriffen. Der Stadtteil Lower Delmas verwandle sich in ein "Schlachtfeld zwischen Polizei und bewaffneten Banden", berichtete Radio Tele Galaxie am Sonntag auf X (früher Twitter). Demnach waren in der Nähe des Nationalpalastes laute Explosionen und automatische Schüsse zu hören.
Auch das medizinische Zentrum der staatlichen Universität von Haiti wurde in der Nacht von Banden geplündert, berichtete Radio RFM, ebenso wurden Angriffe im Vorort Petion-Ville gemeldet.
Die Gegend Lower Delmas ist die Hochburg von Bandenchef Jimmy "Barbeque" Cherizier, der ein Bündnis verschiedener Gangs anführt. In den sozialen Medien kursierten zwei Sprachaufnahmen, die Cherizier zugeschrieben wurden. Darin soll dieser seinen Soldaten befohlen haben, Häuser in dem Armenviertel niederzubrennen, in dem er aufgewachsen ist. "Brennt die Häuser weiter nieder. Alle sollen gehen", sagt ein Mann in einer Aufnahme. In einer anderen heißt es, er habe Benzinkanister geschickt: "Ihr müsst nicht wissen, welches Haus. Brennt jedes Haus nieder, das ihr findet. Legt Feuer." Die Nachrichtenagentur Reuters konnte die Aufnahme nicht unabhängig überprüfen. Eine Anrainerin berichtete jedoch, sie habe brennende Häuser gesehen.
Politische Instabilität und Armut
Nach Monaten eskalierender Bandenkriminalität und des Zerfalls staatlicher Institutionen hatte Ministerpräsident Ariel Henry seinen Rücktritt erklärt. Mittels eines Präsidialrats soll der unter politischer Instabilität und großer Armut leidende Karibik-Staat zurück zur Normalität finden. Ein offizieller Termin dafür steht bisher jedoch noch aus.
Rund 90 Prozent der Hauptstadt werden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen von Banden kontrolliert. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind mehr als 360.000 Menschen auf der Flucht, Millionen leiden Hunger, da wichtige Häfen und Versorgungswege blockiert sind. Zudem warnte die haitianische Katastrophenschutzbehörde vor möglichen Überschwemmungen im Süden des Landes aufgrund starker Regenfälle, was die Bedingungen für die Vertriebenen zusätzlich erschwert.