Der Lunag Ri war eine der ganz großen Leistungen von David Lama. Er bestieg diese windumtoste Himmelszacke im Jahr 2018 – als erster Mensch. Und im Alleingang. Zweimal war er zuvor gescheitert, bei einem Versuch hatte sein Seilpartner Conrad Anker sogar einen Herzinfarkt. Aber David Lama war nie ein Typ, der aufgab. Daher kämpfte er sich auch am 25. Oktober auf den 6895 Meter hohen Berg in Nepal.
„Wenn ich sagen würde, ich war nicht glücklich, wäre das gelogen. Aber es ist halt so, dass man bei Alleingängen selten die Gelegenheit hat, dass die Eindrücke Gefühl werden. Es ist so, dass man alles aufsaugt“, sagte der Tiroler damals zu uns im Interview. Ein Jahr später, am 16. April 2019, war er tot. Er starb beim Abstieg von einem Berg in den Rocky Mountains, gemeinsam mit den beiden Ausnahme-Könnern Hansjörg Auer und Jess Rosskelley.
Fünfter Todestag
An seinem fünften Todestag gaben seine Eltern, die Österreicherin Claudia und der Nepalese Rinzi Lama, Einblicke in seine letzte Ruhestätte – die David Lama am Fox Peak in Nepal fand. Dort am Fox Peak, den Lama immer wieder für Akklimatisierungstouren nutzte, haben der Osttiroler Seilpartner Peter Ortner, Reinhold Scherer und Lamas Freundin Hadley Hammer die Asche auf dem Gipfel beigesetzt – wie es in der Sherpa-Kultur in Nepal üblich ist. „Wir haben vom Basislager aus mit dem Fernglas verfolgt, wie Davids Freunde am Gipfel des Fox Peak einen Chörten, eine Art nepalesischer Schrein, errichteten und dort einen Teil seiner Asche beigesetzt haben“, so seine Mutter Claudia Lama in einer Aussendung.
David Lama begann schon früh mit dem Klettern, einer seiner Lehrmeister war der Zillertaler Weltklasse-Alpinist Peter Habeler, der gemeinsam mit Reinhold Messner im Jahr 1978 als erster Mensch ohne Flaschensauerstoff auf dem Mount Everest stand. Habeler hatte das Talent Lamas erkannt. Schon bald kletterte er im Weltcup auf höchstem Niveau, holte sich bei Klettereuropameisterschaften in den Jahren 2006 im Lead und 2007 im Bouldern die Goldmedaille. Doch Lama wollte mehr und fand seinen Weg in den Weltklasse-Alpinismus. Er übersetzte das Spitzenklettern auf die schwierigsten Felswände der Welt. Gemeinsam mit Peter Ortner gelang ihm 2012, als er die Kompressor-Route am Cerro Torre erstmals frei beging, eine Großtat. Ein Piolet d‘Or, eine wichtige Auszeichnung im Alpinismus, folgte. Lama war kreativ und unglaublich stark, aber wenn er in der Früh aufstand, war sein erstes Projekt: „Das Kaffeemachen“, sagte er einmal schmunzelnd. Auch die Nordostwand des Masherbrum in Pakistan hatte es Lama angetan. Die 3500 Meter hohe Wand des 7821 Meter mächtigen Eisriesen nahm er 2016 gemeinsam mit Ortner und Hansjörg Auer in Angriff – sie mussten aber aufgeben. „Wir sind extra früh angereist. Wir wollten mehr Schnee in der Wand. Doch die Temperaturen sind in die Höhe geschossen, der Schnee hat nicht mehr getragen“, sagte Lama damals gegenüber der Kleinen Zeitung.
Ohne Seil und Sicherung: Hansjörg Auer
Hansjörg Auer war ein ebenso bescheidener Typ Mensch wie Lama. Auer, der für seine Leistungen auch den renommierten Paul-Preuss-Preis verliehen bekam, wurde durch seine unglaublichen Free-Solo-Klettereien bekannt. Der Ötztaler durchstieg die Route „Weg durch den Fisch“ an der Marmolada in Südtirol: eine 1220 Meter lange Route im Schwierigkeitsgrad 7b+. Auer kletterte seilfrei, also ohne Sicherung. Diese Tat gilt bis heute als eine der größten Leistungen im Free-Solo-Klettern.
Der Ötztaler kletterte an der Großen Zinne oder am Heiligkreuzkofel Free Solo und machte sich durch Erstbegehungen, wie am Kunyang Chhish Ost in Pakistan, einen Namen. Auer war ein Bergmagier, einer der sich traute, was sich kaum einer traute: „Free Solo. Das ist eine Fähigkeit, die man nicht lernen kann“, sagte er gegenüber der Kleinen Zeitung einmal. „Meine Eltern haben von Anbeginn an immer Vertrauen in mich gehabt. Ich bin ganz früh mit meinen Brüdern selbst in die Berge gegangen“, sagte er damals. Dieses Vertrauen hat ihm wohl geholfen, ohne Sicherung in solch schweren Wände einzusteigen. Mit Auer und Lama starben vor fünf Jahren zwei der besten Alpinisten ihrer Zeit. Beide waren unglaublich starke Kletterer, die dieses Können in den Alpinismus übertragen konnten.
Wer nachlesen will, wie Auer und Lama gedacht haben, dem seien zwei Bücher empfohlen: Hansjörg Auers „Südwand“, ein bei Malik erschienenes Buch aus seiner eigenen Feder. Darin listet er genau und akribisch seine Begehungen auf. David Lama hat seine Eindrücke über seine Abenteuer am Cerro Torre in Südamerika in „Free. Der Cerro Torre, das Unmögliche und ich“ beschrieben, das Buch ist im Knaus-Verlag erschienen.