Nach dem Einsturz einer Autobahnbrücke in Baltimore steht die Stadt im US-Bundesstaat Maryland noch immer unter Schock. Sechs Bauarbeiter dürften bei dem Unglück ums Leben gekommen sein. Die US-Küstenwache hatte die „aktive Suche“ nach Überlebenden am Dienstagabend eingestellt. Am Mittwoch waren dann wieder Taucher und Schiffe im Einsatz, um die Leichen der Opfer zu finden. Es handelt sich um sechs Männer aus lateinamerikanischen Ländern.
Vermisste reparierten Schlaglöcher
Die Francis-Scott-Key-Brücke über dem Patapsco-Fluss war am frühen Dienstagmorgen eingestürzt, nachdem ein Containerschiff einen Brückenpfeiler gerammt hatte. Bei den sechs Vermissten handelt es sich um Bauarbeiter, die in der Unglücksnacht Schlaglöcher auf der Brücke repariert hatten. Zwei ihrer Kollegen wurden gerettet, einer von ihnen mit schweren Verletzungen.
Einer der Vermissten ist nach Angaben der Einwanderer-Organisation Casa der aus El Salvador stammende Bauarbeiter Miguel Luna. Der Vater von drei Kindern sei am Montagabend zur Arbeit gegangen und nicht wieder nach Hause gekommen. Seine Frau Maria del Carmen Castellon sagte dem Sender Telemundo 44, sie sei durch die Ungewissheit „am Boden zerstört“.
Zwei weitere Vermisste stammen aus Guatemala, wie die Regierung des zentralamerikanischen Landes mitteilte. Das Nachrichten-Portal The Baltimore Banner berichtete, die anderen Vermissten stammten aus Mexiko und Honduras. „Sie sind alle fleißige, bescheidene Männer“, sagte der Bauarbeiter Jesus Campos, ein Kollege der Vermissten.
Baltimores Bürgermeister Brandon Scott versprach, die Bergungsarbeiten mit Hochdruck voranzutreiben, um den Angehörigen so schnell wie möglich Gewissheit zu verschaffen. „Ich bin mit meinem Herzen heute Abend und in den kommenden Tagen bei diesen Familien“, erklärte er.
16 Stunden nach Vermissten gesucht
Rettungskräfte hatten nach dem Unglück fast 16 Stunden lang vergeblich nach den Vermissten gesucht, dabei waren auch Taucher und Sonar- und Infrarot-Geräte zum Einsatz gekommen. Am Abend gab die Küstenwache dann das Ende der „aktiven Suche“ bekannt.
Angesichts der langen und aufwendigen Suche und der niedrigen Wassertemperatur „glauben wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht, dass wir eine dieser Personen noch lebend finden werden“, sagte der Konteradmiral Shannon Gilreath. „Wir gehen von einer Such- und Rettungsaktion zu einer Bergungsaktion über“, sagte Roland Butler von der Polizei in Maryland.
Strom und Antrieb fielen am Schiff kurzzeitig aus
Das unter der Flagge Singapurs fahrende Containerschiff „Dali“ hatte die vierspurige und 2,6 Kilometer lange Autobrücke am Dienstag kurz nach Mitternacht gerammt. Ersten Erkenntnissen zufolge hatte das vollbeladene Schiff, das der Charterfirma Synergy Marine Group aus Singapur gehört, vor dem Unglück technische Probleme. Singapurs Schifffahrtsbehörde erklärte, die „Dali“ habe vor dem Aufprall kurzzeitig Strom und Antrieb und so die Kontrolle verloren. Die dänische Reederei Maersk hatte die „Dali“ nach eigenen Angaben für einen Transport von Baltimore nach Colombo in Sri Lanka gechartert.
Die Crew setzte noch einen Notruf ab und warf in einem letzten, verzweifelten Versuch, den Aufprall noch zu verhindern, den Anker. Der Notruf ermöglichte es den Behörden in Baltimore, die Brücke in letzter Minute für den Verkehr zu sperren und so ein noch größeres Unglück zu verhindern. „Diese Leute sind Helden. Sie haben letzte Nacht Leben gerettet“, sagte Marylands Gouverneur Wes Moore.
US-Präsident Joe Biden sprach von einem „schrecklichen Unfall“ und sicherte zu, den durch das Unglück blockierten Hafen von Baltimore so schnell wie möglich wieder zu öffnen und die Brücke wieder aufzubauen. Die Francis-Scott-Key-Brücke führte als Teil der Autobahn Interstate 695 südöstlich des Stadtzentrums von Baltimore in der Hafeneinfahrt über den Patapsco. Sie wurde 1977 eröffnet und jedes Jahr von mehr als elf Millionen Fahrzeugen genutzt - das sind rund 31.000 am Tag.
Der Hafen von Baltimore ist einer der größten Frachthäfen in den USA. Im vergangenen Jahr wurde dort nach offiziellen Angaben Fracht im Wert von rund 80 Milliarden Dollar (knapp 74 Milliarden Euro) umgeschlagen, darunter sehr viele Fahrzeuge.