In der Stadt Baltimore im US-Bundesstaat Maryland ist am Dienstag eine fast drei Kilometer lange Autobahnbrücke eingestürzt, nachdem sie von einem Schiff gerammt worden war. Erste Notrufe erreichten die Polizei nach eigenen Angaben in der Nacht um 1.35 Uhr (Ortszeit, 6.35 Uhr MEZ). Nach Angaben von Polizei und Feuerwehr stürzte die Brücke zu großen Teilen ein. Mehrere Fahrzeuge mit ihren Insassen seien in die Tiefe gestürzt.
Zwei Menschen konnten laut Feuerwehr in der Zwischenzeit aus dem eiskalten Wasser gerettet werden. Aktuell würde noch nach sechs weiteren Menschen gesucht werden. Bei den beiden geborgenen Überlebenden soll es sich um Bauarbeiter handeln. Eine Person befände sich im Krankenhaus, wie der Verkehrsminister des Bundesstaats, Paul Wiedefeld, bei einer Pressekonferenz mitteilte. Es hätten sich zu dem nächtlichen Zeitpunkt Arbeiter auf der Brücke befunden, die Beton-Ausbesserungen vorgenommen hätten. Erste Notrufe erreichten die Polizei nach eigenen Angaben in der Nacht um 1.35 Uhr. Zunächst war die Rede von bis zu 20 vermissten Personen. Die Wassertemperatur liegt nur bei rund neun Grad Celsius.
Der Gouverneur von Maryland, Wes Moore, rief am Dienstag den Notstand aus. So können Hilfsmaßnahmen der Regierung von US-Präsident Joe Biden im nahe gelegenen Washington ermöglicht werden. Baltimores Bürgermeister Brandon Scott sprach von einer „unfassbaren Tragödie“ und schrecklichen Bildern „wie aus einem Action-Film“. Es müsse jetzt vor allem darum gehen, die Vermissten zu finden und den Betroffenen und ihren Familien beizustehen, sagte er bei einer Pressekonferenz.
Problem mit dem Strom auf dem Schiff
Den Behörden zufolge gibt es absolut keine Hinweis auf Terrorismus. US-Präsident Biden erklärte, es gebe keinen Grund zur Annahme, dass das Unglück auf böse Absichten zurückzuführen sei. Am Dienstagnachmittag kündigte er dann in einer Pressekonferenz an, dass die Brücke so schnell wie möglich wieder errichtet werden soll. „Es ist meine Absicht, dass die Bundesregierung die gesamten Kosten für den Wiederaufbau übernehmen wird“, sagte er. „Das wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen.“ Verkehrsminister Pete Buttigieg äußerte die Befürchtung, dass der Einsturz zu Lieferkettenproblemen mit Folgen für die gesamte USA führen wird.
Auf dem Schiff gab es nach Angaben der Besatzung ein Problem mit dem Strom. Das bestätigte der Gouverneur des US-Bundesstaates Maryland, Wes Moore, bei einer Pressekonferenz. Laut Moore wären dank des Notsignals Beamte in der Lage gewesen, den Verkehr zu stoppen, damit nicht noch mehr Autos auf die Brücke gelangten. Weitere Informationen zur Ursache gab es zunächst nicht. Moore betonte jedoch, die vorläufige Untersuchung deute auf einen Unfall hin.
Videoaufnahmen in Online-Diensten zeigten den spektakulären Einsturz der beleuchteten Brücke in den Patapsco-Fluss. Erst stürzt der gerammte Brückenpfeiler ein, dann verzieht sich in einer Wellenbewegung die gesamte Stahlkonstruktion und stürzt abschnittsweise in den Fluss.
„Wir sind entsetzt“
„Wir gehen davon aus, dass sich möglicherweise bis zu 20 Menschen sowie mehrere Fahrzeuge im Patapsco-Fluss befinden“ sagte der Feuerwehrmann Kevin Cartwright im Fernsehsender CNN. Unter den verunglückten Fahrzeugen war seinen Angaben zufolge auch ein Sattelschlepper. Neben der Feuerwehr seien Rettungskräfte der US-Küstenwache und ein Taucherteam im Einsatz, um möglichst viele Überlebende aus dem Fluss zu bergen.
Die Besatzung des Schiffs, das einen der Stützpfeiler gerammt hatte, war nach Angaben der Eigentümer wohlauf. Es gebe keine Verletzten auf dem Schiff, hieß es Dienstagfrüh (Ortszeit) in einer Mitteilung, die der „New York Times“ vorlag. Die Eigentümer bestätigten demnach den Vorfall. Die Ursache der Kollision müsse noch ermittelt werden.
Bei dem Containerschiff handelt es sich Daten des Anbieters LSEG zufolge um die unter der Flagge von Singapur fahrende „Dali“. Sie war von der Reederei Maersk gechartert worden und sollte Dienstagfrüh aus dem Hafen von Baltimore nach Colombo auslaufen. Dort sollte sie am 22. April ankommen. „Wir sind entsetzt über das, was in Baltimore passiert ist“, teilte Maersk mit. „Unsere Gedanken sind bei allen Betroffenen.“ Das Schiff, das 2016 auch in einen Unfall im Hafen von Antwerpen, Belgien, verwickelt gewesen sein soll, ist knapp 290 Meter lang. Durch den Unfall sei laut Reederei keine Umweltverschmutzung entstanden.
2,6 Kilometer lange Brücke
Die 2,6 Kilometer lange, vierspurige Francis-Scott-Key-Brücke führte als Teil der Autobahn Interstate 695 südwestlich des Stadtzentrums von Baltimore über den Patapsco-Fluss. Sie wurde 1977 in der Industrie- und Hafenstadt an der US-Ostküste eröffnet und wird jedes Jahr von mehr als elf Millionen Fahrzeugen genutzt.
Baltimore ist der verkehrsreichste US-Hafen für Autotransporte. 2023 wurden dort nach Angaben der Regierung von Maryland knapp 850.000 Autos und leichte Lkw umgeschlagen. Zu den Autobauern, die über Baltimore In- und Exporte regeln, gehören Toyota, General Motors und Volkswagen. Mehr als 40 Schiffe mussten nach dem Einsturz im Hafen bleiben. Mindestens 30 Schiffe waren noch auf dem Weg nach Baltimore.
Ein Unfall dieser Art ist selten, aber weltweit betrachtet kein Einzelfall: Erst im Februar 2024 starben in der südchinesischen Provinz Guangdong fünf Menschen, nachdem ein Frachter eine Autobrücke gerammt und teilweise zum Einsturz gebracht hatte. In Brasilien stürzte im April 2019 eine fast 900 Meter lange Straßenbrücke über den Moju-Fluss ein, nachdem eine Fähre einen der massiven Pfeiler gerammt hatte. Im US-Bundesstaat Kentucky riss im Jänner 2012 ein mit Raketenteilen für die US-Luftwaffe und die Raumfahrtbehörde NASA beladenes Schiff eine mehr als 90 Meter lange Lücke in eine Straßenbrücke. Der Kapitän war eine falsche Route unter der Brücke gefahren, die nur für Wassersportler, nicht aber für schwere Schiffe ausgewiesen war.