Seit nun zwei Jahren wütet der Krieg in der Ukraine. Unabhängige Zahlen über die Opfer des ukrainischen Abwehrkampfes finden sich nur wenige. Erstmals seit Kriegsbeginn hat Wolodymyr Selenskyj am Wochenende Daten geliefert: Laut seinen Angaben sollen 31.000 ukrainische Kämpfer getötet worden sein. „Es sind nicht 300.000, nicht 150.000, wie es Putin und sein Kreis von Lügnern behaupten“, sagte Selenskyj bei einer Pressekonferenz in Kiew. „Jeder Gefallene ist ein großer Verlust für uns“, fügte er hinzu. 

Große Spannweite bei russischen Zahlen

Auch über die Anzahl der russischen Kriegsopfer herrscht keine Klarheit. US-Geheimdienste veröffentlichten im Dezember 2023 Zahlen, nach denen bereits 315.000 russische Soldaten in der Ukraine gefallen oder verwundet wurden – das entspreche knapp 87 Prozent jener 360.000 Soldaten, über die Russland vor dem Krieg verfügte. Unabhängige Medienportale wie „Medusa“ und „Mediazona“ gingen indes im selben Zeitraum von 75.000 toten russischen Kämpfern aus – täglich sollen seither 120 weitere hinzukommen.

Diese Schätzungen decken sich auch mit den Erfahrungsberichten von Aleskej Yukov, einem ukrainischen Freiwilligen, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, gefallene Soldaten von den Schlachtfeldern im Donbass zu bergen und ihnen ein Begräbnis zu ermöglichen. Yukov macht bei seiner Arbeit keinen Unterschied zwischen Ukrainer und Russen. „Die Toten beider Armeen sollen identifiziert werden, sodass ihre Familien Klarheit bekommen“, erzählt er dem „Spiegel“.

Yukov kann nur im ukrainisch-kontrollierten Gebieten arbeiten. Das Interesse der russischen Truppen an einem ähnlichen Dienst sei nämlich enden wollend. „Oft lassen die Russen ihre Soldaten einfach am Schlachtfeld liegen und begraben sie nicht“, sagt er. Die Erhebung von genauen Zahlen sei demnach nahezu unmöglich.

Russen sollen Ukrainer hingerichtet haben

Neben Unklarheiten über die Opferzahlen gibt es nun auch neuerlich scharfe Vorwürfe gegen Russland. Laut offiziellen Angaben aus Kiew sollen russische Soldaten sieben ukrainische Kriegsgefangene erschossen haben. Die Hinrichtung sei am Samstag in der Nähe der von Russen eroberten Stadt Bachmut im Osten des Landes erfolgt, berichtete der ukrainische Menschenrechtsbeauftragte Dmytro Lubinez, am Sonntagabend auf Telegram. Er berief sich dabei auf eine Videoaufnahme, die ukrainische Soldaten „mit erhobenen Händen“ bei der Kapitulation zeige.

„Die Russen sollten sie gefangen nehmen, erschossen sie aber stattdessen gnadenlos.“ Die Angaben aus Kiew konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden. „Eine solche Hinrichtung ist ein Kriegsverbrechen“, schrieb Lubinez weiter. Dieser Fall müsse als eine weitere Verletzung des humanitären Völkerrechts durch Russland registriert werden, forderte er. Lubinez wollte sich demnach unverzüglich offiziell an die UNO und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz wenden. Er warf den russischen Streitkräften vor, dass ihnen Genfer Konventionen sowie Bräuche und Regeln des Kriegs „nichts bedeuten“.

Ukraine bereitet sich auf weitere russische Angriffe vor

Erst vor wenigen Tagen war russischen Soldaten vorgeworfen worden, sie hätten bei der Einnahme von Awdijiwka mindestens sechs verwundete ukrainische Soldaten, die nicht rechtzeitig evakuiert werden konnten, hingerichtet. Auch in diesem Fall berief sich Kiew auf Videoaufnahmen einer Drohne. Auch dieser Vorwurf konnte nicht unabhängig überprüft werden.

Gesichert ist hingegen die Tatsache, dass Russland nun weiter Drohnenangriffe auf Odessa fliegt. Am Wochenende sollen binnen weniger Stunden gleich mehrere Attacken erfolgt sein, die ukrainische Luftabwehr bleibt in Alarmbereitschaft.