Gestartet worden war das Vorhaben 2013 rund um den damals 19-jährigen Boyan Slat – mit einer Machbarkeitsstudie. Seitdem zeigt „The Ocean Cleanup“, dass so einiges möglich ist: Ende 2023 zog das Umweltschutz-Projekt neue Bilanz: Das Sammelsystem, das in den Ozeanen und seit 2015 auch auf Flüssen autonom Plastikmüll „abschöpft“, hat mittlerweile insgesamt über 8100 Tonnen Unrat beseitigt. Das bis zum Jahr 2040 gesetzte Ziel bleibt indes noch weitaus ehrgeiziger: Auf Nachfrage bestätigt man seitens des Non-Profit-Projekts mit Stammsitz Rotterdam, insgesamt 90 Prozent des im Meer schwimmenden Plastikabfalls entfernen zu wollen.
System „003“ seit 2023 im Einsatz
Was aber ist realistisch? „Wir werden es nie schaffen, jedes einzelne Stück Plastik aus den Ozeanen zu entfernen. Durch das Auffangen von Plastik in Flüssen und die Reinigung dessen, was sich dort bereits befindet, kann jedoch eine deutliche Reduzierung der schwimmenden Trümmer in den Ansammlungszonen der Ozeane erreicht werden“, heißt es. Und dafür wurde erheblich aufgerüstet: Im vergangenen August wurde das „System 002“ durch den Nachfolger „003“ abgelöst.
Dieses besteht aus einer etwa 2,2 Kilometer langen schwimmenden Barriere, die zwischen zwei langsam fahrenden Schiffen gezogen wird. Die Barriere trägt ein Sieb, das sich etwa vier Meter unter der Wasseroberfläche erstreckt, wo auch das Gros des schwimmenden Plastiks anzutreffen ist. Gegenüber „002“ ist das System dreimal so groß und könne die Fläche eines Fußballfeldes in fünf Sekunden reinigen. Gegen Müll in Flüssen zieht man mit Plastiksammelschiffen namens „Interceptor“ ins „Gefecht“. Allerdings setze man weiter den Hauptfokus auf das Meer, betonte Slat mehrfach.
„Ocean Cleanup“ ist trotz seiner hehren Ziele nicht ohne Kritiker: Die beiden Umweltschutz-NGOs EIA und OceanCare etwa warnten in einem im November publizierten Bericht vor einer „Fixierung“ auf Reinigungstechnologien und nahmen auch „The Ocean Cleanup“ ins Visier: Die Technologie, die vor allem im 1,6 Millionen Quadratkilometer großen pazifischen Müllstrudel „Great Pacific Garbage Patch“ eingesetzt wird, leiste in der Praxis weniger als in der Theorie vorausberechnet, heißt es.
Außerdem seien bei einer Reinigungsaktion im Jahr 2020 Beifang in Form von Meeresschildkröten (darunter auch gefährdete Arten), Haien sowie Fisch- und Tintenfischarten gemeldet worden. Ewoud Lauwerier, Plastic-Policy-Experte bei OceanCare wurde sehr deutlich: „Diese Clean-up-Techniken sind ein prächtiges Werkzeug für die Plastikindustrie, um vom eigentlichen Problem abzulenken“, ist er sich sicher.
Bei „The Ocean Cleanup“ verweist man vehement auf die bereits erzielten Erfolge, die sehr wohl einen Unterschied machen – und auf zukünftige, noch leistungsfähigere Systeme. Was mögliche Auswirkungen auf das Ökosystem, im Nahbereich des pazifischen Müllwirbels, betrifft, hätten Daten ergeben, dass System „002“ bei seinen ersten zwölf Einsätzen bloß geringe negative Effekte gehabt hätte.
Man arbeite allerdings an noch besseren Präventions- und Schadensbegrenzungsmaßnahmen, für System „003“ gebe es zudem weitere Optimierungen. Grundsätzlich gehe es deshalb auch darum, „noch mehr Daten zur Plastikverschmutzung und zum Betriebsumfeld zu sammeln, um das Ökosystem des Nordpazifikwirbels besser zu verstehen und zu schützen.“
Zum anderen großen Kritikpunkt, wonach man beim Einsammeln des Plastikmülls selbst einen nicht unbeträchtlichen ökologischen Fußabdruck hinterlasse, hält das Projekt rund um Boyan Slat fest: „Seit Beginn unserer Aktivitäten im Great Pacific Garbage Patch 2018 kompensieren wir alle mit unserem Betrieb verbundenen CO2-Emissionen nach einer Bewertung unseres gesamten CO2-Fußabdrucks durch Dritte.“
Verbrauch von Treibstoff „derzeit unvermeidlich“
Wie bei jeder groß angelegten Aktivität am Meer sei der Verbrauch von Treibstoff „derzeit unvermeidlich“. Allerdings wolle man die Auswirkungen begrenzen, der Offshore-Partner Maersk sei angehalten, weiter die „treibstoffeffizienteste Logistik“ zu entwickeln. Es gehe darum, nachhaltige Treibstoffe ins System zu integrieren.
Laut Umweltschützern besteht drei Viertel des Mülls im Meer aus Plastik. Konkret gelangen jedes Jahr 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastik in die Meere, heißt es. Mehr als 150 Millionen Tonnen sind es laut Schätzungen von Experten mittlerweile. Wind und Meeresströmungen treiben Plastikmüll und ausgediente Fischernetze durch die Ozeane, wo sie sich dann in riesigen Wirbeln anreichern.
Allein der Great Pacific Garbage Patch bestand Anfang der 2020er-Jahre aus geschätzten 1,8 Billionen Plastikteilchen. Die globale Plastikproduktion hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt – auf 460 Millionen Tonnen im Jahr. Ohne Gegenmaßnahmen wird sie sich nach neuen Schätzungen bis 2060 verdreifachen.