Die Bilder sind, gelinde gesagt, beunruhigend, den Schock an Bord will man sich lieber nicht vorstellen: Am vergangenen Freitag war eine Boeing 737 MAX 9 der Alaska Airlines von Portland nach Ontario unterwegs, als sich ein Teil der Kabinenwand löste. Dieses verschließt bei dieser Modellvariante eine zeitweise nicht benötigte, zusätzliche Türöffnung.
Großes Glück im Unglück
Durch das Loch kam es zu einem Druckverlust in der Kabine, das betroffene Flugzeug konnte aber umkehren und legte in Portland eine Notlandung hin. Verletzt wurde niemand. Es sei „ein großer Glücksfall“, dass der Vorfall „nicht in einer Tragödie geendet habe“, so Jennifer Homendy, Chefin der Verkehrssicherheitsbehörde NTSB. Glück im Unglück war, dass der Vorfall schon gut sechs Minuten nach dem Start und somit in weniger als 5000 Meter Höhe passierte. Die betroffenen Sitze 26a und 26b waren zudem unbesetzt, alle Menschen an Bord aber noch angeschnallt und atmeten über Sauerstoffmasken. Das Bruchstück landete in einem Garten in Portland (kleines Foto weiter unten).
Die Flugaufsicht FAA hatte nach dem Vorfall für rund 170 Maschinen des Typs MAX 9 sofortige Inspektionen angeordnet und bis zu deren Abschluss ein Flugverbot verhängt – zu Recht: Bei Inspektionen fand die US-Fluggesellschaft United Airlines laut „The Air Current“ in mindestens fünf Maschinen lose Schrauben an jenem Rumpf-Bauteil, wie es aus der Alaska-Airlines-Maschine herausgebrochen war. „Das ändert alles, weil es jetzt ein Flottenproblem ist. Es ist ein Problem der Qualitätskontrolle“, wird US-Flugsicherheitsexperte John Cox zitiert.
Wie kam es so weit? „Man kann davon ausgehen, dass dieses Rumpfteil konstruktiv nicht genügend befestigt war und es auch an der Qualitätssicherung und -kontolle mangelte, sonst hätte man die lockeren Schrauben bemerkt.“, hält der Schweizer Luftfahrtexperte Hansjörg Egger im Interview fest. Nicht vergessen sind zwei MAX-Abstürze 2018/2019 mit 346 Toten. Der Boeing-Konzern ist in Dauerturbulenzen und schreibt seit 2019 rote Zahlen: „Die MAX-Familie hat zumindest ein Imageproblem, selbst, wenn Mängel jetzt unter Druck der Behörden sukzessive behoben werden“.
Ingenieure mit immer weniger Einfluss
Egger wird deutlich: „Ein Fehler war vor allem, dass man die Probleme nicht bei der Wurzel angepackt hat, nämlich bei der Firmenkultur. Diese zielt darauf ab, den Rückstand auf Airbus wettzumachen und die Produktionsgeschwindigkeit und damit den Profit offenbar auf Kosten der Qualität zu erhöhen. Und das, wie aus Insiderkreisen zu hören ist, wohl zum Leidwesen der Ingenieure, die immer weniger Einfluss im Unternehmen haben. Der Preis dafür ist definitiv zu hoch, auch wenn man die Mängel hoffentlich allmählich in den Griff bekommt.“
Laut der Luftfahrtanalytiker von Cirium betreiben die beiden US-Fluggesellschaften Alaska Airlines und United Airlines zusammen zwei Drittel der 215, weltweit im Einsatz befindlichen Exemplare. In Europa hat nur die Icelandair vier Stück des Typs in ihrer Flotte – allerdings ohne die zusätzliche Tür, die einen Grund hat: Im Vergleich zur MAX 8 hat die MAX 9 zehn Sitze mehr (220 statt 210). Dennoch hat die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) die Vorgabe der USA übernommen, nach der bis auf Weiteres alle MAX 9 “grounded” sind.
Das gelte natürlich auch für Österreich, erklärt Markus Pohanka, Sprecher der Austro Control. Dafür, dass die Flugzeuge am Boden bleiben, müssen nun die einzelnen Fluglinien sorgen, die den Typ in ihrer Flotte haben. Die einzelnen Behörden der Länder seien laufend in Kontakt. Mit Verstößen rechnet Pohanka nicht, denn: “Wenig ist so gut dokumentiert wie die Luftfahrt. Jeder weiß, wo wann welches Flugzeug startet.“