Mit Blockaden an Autobahnauffahrten und Traktorkolonnen in Städten haben am Montag die deutschlandweiten Bauernproteste gegen Subventionskürzungen begonnen und zu großen Verkehrsbehinderungen geführt. Am Brandenburger Tor in Berlin nahmen rund 550 Demonstranten mit ihren Fahrzeugen am Protest teil.

Ein Autofahrer hat bei Friesoythe in Niedersachsen einen Demonstranten erfasst und schwer verletzt, wie die Polizei in Oldenburg im Kurzbotschaftendienst X, ehemals Twitter, mitteilte. Der Autofahrer wollte demnach eine Blockade über einen Geh- und Radweg umfahren, wobei er mit einem Protestteilnehmer kollidierte. Der Fahrer flüchtete nach Angaben der Beamten zunächst, wurde später aber gestellt.

1600 Fahrzeuge allein in Erfurt

In Erfurt zählte die Polizei 1600 Fahrzeuge bei den dortigen Bauernprotesten. An vielen Orten gab es Traktorkolonnen sowie zeitweilige Blockaden von Autobahnauffahrten. Im VW-Werk Emden wurde sogar die Produktion gestoppt: Für die Beschäftigten sei es nicht möglich gewesen, zur Arbeit zu kommen, sagte eine Konzernsprecherin. Die Bauern erhielten in einigen Städten Unterstützung, etwa von Lastwagenfahrern und Handwerkern. Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte vor einer Kaperung der Bauernproteste durch extreme Kräfte.

„Es kursieren Aufrufe mit Umsturzfantasien. Extremistische Gruppen formieren sich, völkisch nationalistische Symbole werden offen gezeigt. Es wird sichtbar, dass in den letzten Jahren etwas ins Rutschen geraten ist, was den legitimen demokratischen Protest und die freie Meinungsäußerung entgrenzt“, sagte der Grünen-Politiker in einem auf sozialen Medien verbreiteten Video. Darin forderte er auch eine Debatte über einen Wandel der Landwirtschaft. In vielen Orten Deutschlands müssen sich Autofahrer, Schüler und Busfahrgäste aufgrund der Proteste auf starke Behinderungen einstellen. Mehrere Kultusministerien der Länder kündigten an, dass Schüler entschuldigt werden, sollten sie es wegen der Aktionen nicht zum Unterricht schaffen.

Der Bauernverband hat zu einer Aktionswoche aufgerufen, um gegen die Streichung von Subventionen für die Branche zu demonstrieren. Dabei geht es vor allem um die Steuervergünstigung von Agrardiesel. Dass die Regierung in Berlin einen Teil ihrer Sparpläne zurückgenommen hat, reicht dem Verband nicht aus. Nach einer eskalierten Protestaktion gegen Wirtschaftsminister Habeck an der Nordsee rief der Bauernverband am Wochenende seine Anhänger aber auch zur Mäßigung auf und forderte, Aktionen vor Wohnungen von Politikern und persönliche Anfeindungen zu unterlassen.

Der Aufruf zum Protest fiel bei den Landwirten und einigen unterstützenden Gruppen auf fruchtbaren Boden: In mehreren Bundesländern, darunter Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg, blockierten Landwirte mit ihren Traktoren Autobahnauffahrten. In Niedersachsen stellten die Bauern die Fahrzeuge zeitweise auch auf die Autobahnen selbst. Mehrere Städte waren Ziel von Sternfahrten, darunter Mainz, Stralsund und Siegburg. In Kiel waren am Montag etwa 700 Fahrzeuge im Zusammenhang mit den Protesten unterwegs. In Wiesbaden waren es 1.000. In Hamburg blieb dagegen ein befürchtetes großes Verkehrschaos aus.

Der Bauernverband sieht die Zukunftsfähigkeit der Betriebe in Gefahr und forderte am Montag erneut, die geplanten Kürzungen zurückzunehmen. „Die nehmen der Landwirtschaft die Zukunftsfähigkeit. Vor allem gefährden wir am Ende die gesicherte Versorgung mit heimischen, hochwertigen Lebensmitteln“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied im deutschen RBB-Inforadio.

Ein Wegfall der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel bedeutet laut Bundesregierung im Schnitt Mehrkosten von etwa 3000 Euro im Jahr pro Betrieb. Die generelle Ertragslage der Landwirtschaft hatte sich nach Branchenangaben nach einer längeren Durststrecke zuletzt weiter verbessert. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2022/23 stieg der durchschnittliche Gewinn der Betriebe auf das Rekordniveau von 115.400 Euro – ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Davon sind aber unter anderem noch Investitionen zu bezahlen.

Angesichts sinkender Preise etwa bei Getreide und Milch hatte der deutsche Bauernverband sich bereits vor Bekanntwerden der Ampel-Pläne pessimistisch zu den weiteren Geschäftsaussichten geäußert. Für viel Frust unter Landwirten sorgen schon seit Jahren zusätzliche Auflagen für die Produktion und eine ungewisse Finanzierung für einen Umbau der Tierhaltung. Um für mehr Wertschätzung zu demonstrieren, hatte es auch Ende 2019 deutschlandweit Bauernproteste mit Traktoren gegeben.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil forderte, die Kürzungen zurückzunehmen. Die deutsche Regierung solle reinen Tisch machen und den Konflikt beenden, sagte der SPD-Regierungschef im ZDF-„Morgenmagazin“. Die deutsche Bundesregierung plant, die Steuersubventionen für Agrardiesel stufenweise wegfallen zu lassen. Ein weiterer Vorschlag, die Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen zu kippen, ist vom Tisch. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer warf der Ampel-Koalition mangelnde Bereitschaft zum Dialog vor.

In allererster Linie Wut und Unverständnis“

Bei der deutschen Innenministerin Nancy Faeser stießen die geplanten Blockaden auf Kritik: „Wer andere Menschen, die eilig zur Arbeit, zur Schule oder zum Arzt müssen, im Alltag blockiert, der sorgt in allererster Linie für Wut und Unverständnis“, sagte die SPD-Politikerin der „Rheinischen Post“. Legitimer Protest ende da, wo andere in ihren Rechten verletzt würden.

Der Magdeburger Extremismusforscher Matthias Quent forderte von den protestierenden Bauern eine klare Abgrenzung von rechten Mitläufern. Nationalistische, rechtsextremistische und verschwörungsideologische Akteure versuchten, die Bewegung politisch zu instrumentalisieren, sagte Quent im Deutschlandfunk. Ihnen gehe es nicht um Agrardiesel, sie „wollen Deutschland lahmlegen“. Quent ist Professor an der Hochschule Magdeburg-Stendal.