Neil besetzt Vorgärten und Parkplätze, sonnt sich mitten auf der Straße und kämpft mit Verkehrskegeln. Der rund 600 Kilogramm schwere Koloss lebt in der Nähe von Hobart, der Hauptstadt des australischen Inselstaates Tasmanien, und erfreut mit seinen Eskapaden inzwischen nicht mehr nur die Einheimischen. Auf Instagram hat der südliche See-Elefant bereits über 80.000 Follower und ist inzwischen nicht mehr nur in seiner Heimat berühmt – er hat es sogar schon in die „New York Times“ geschafft.
Erstmals brachte Neil es im vergangenen Monat zu Ruhm, als er beschloss, vor dem Auto einer Frau ein Nickerchen zu machen. Diese wäre eigentlich gerade auf dem Weg zur Arbeit gewesen. „Ich denke, es wird als die beste Ausrede überhaupt in die Geschichte eingehen, nicht zur Arbeit zu gehen“, sagte diese damals gegenüber lokalen Medien. Seitdem hat der See-Elefant es immer wieder mal in die Nachrichten geschafft: Wenn er sich mit einem Gartenschlauch abduschen ließ, die Polizei ihn per Sirene aus dem Weg schaffen musste, er sich bäuchlings auf einer Türschwelle rekelte oder auf eine Menschengruppe zustürmte.
„Fast die gleiche Farbe wie der Straßenbelag“
Matt Mcdonald, der Neils Instagram-Account betreibt, sagte, dass Neil bei den Einheimischen in Tasmanien ausgesprochen „beliebt“ sei, weil er eine „so einzigartige und freche Persönlichkeit“ habe. Obwohl man schon ein paar Mal versucht habe, ihn in andere Teile Tasmaniens umzusiedeln, lande er immer wieder in der Nähe von Hobart. Der junge See-Elefant sei eigensinnig und bezaubernd zugleich und laufe dabei immer wieder mal „Amok“. Außerdem sei er einfach etwas ganz Besonderes: Seit 1985 seien nur neun Tiere in Tasmanien geboren worden, denn normalerweise kommen die Tiere näher an der Antarktis vor.
Nicht zuletzt da die Einheimischen Neil so sehr ins Herz geschlossen haben, machen sie sich auch Sorgen um ihn. Gegenüber der „New York Times“ sagte Sandra Wray, die Besitzerin eines Fish und Chips-Geschäfts, in dessen Nähe sich der See-Elefant besonders gerne aufhält, dass er „fast die gleiche Farbe wie der Straßenbelag“ habe, und es deswegen für Autofahrer manchmal schwierig sei, den See-Elefanten, der sich oft überhaupt nicht bewegen würde, auf der Straße zu erkennen. Einmal hätten sie deswegen bereits die Polizei benachrichtigen müssen, die dabei half, die Robbe mithilfe einer Sirene zurück ins Wasser zu treiben.
Womöglich seine Mutter verloren
Tatsächlich sind wilde Tiere, die sich in der Nähe von Menschen zu wohl fühlen, in der Vergangenheit häufig schon Opfer ihrer eigenen Beliebtheit geworden. Im US-Bundesstaat Connecticut musste ein Elch, der in den Flughafen eindrang, eingeschläfert werden, und im letzten Jahr erlitt ein Walross namens Freya das gleiche Schicksal, nachdem es vor der Küste der norwegischen Hauptstadt Oslo auf Piers und Boote geklettert war. Grundsätzlich ist es laut Clive McMahon, ein Ökologe am Sydney Institute of Marine Science, nicht ungewöhnlich, dass Südliche See-Elefanten an Land kommen. Die Meeressäugetiere verbringen jedes Jahr mehrere Wochen an Land, um ihr Fell zu häuten. Doch Neils regelmäßige Besuche sind wohl tatsächlich recht „einzigartig“, wie er der US-amerikanischen Zeitung sagte.
Dass Neil so wenig menschenscheu ist, könnte daran liegen, dass er im Gegensatz zu anderen Tieren, die in nahe gelegenen Kolonien geboren wurden, an einem Strand in der Nähe der Stadt zur Welt kam und möglicherweise seine Mutter verloren hat. Ohne andere junge Robben, mit denen er Kontakte knüpfen und schwimmen konnte, verbrachte Neil höchstwahrscheinlich eine einsame Jugend – so die Vermutung des Foschers. Denn laut McMahon kehren See-Elefanten gewöhnlich an die Orte zurück, an denen sie geboren wurden. „Deshalb glaubt Neil wahrscheinlich, dass dies sein Zuhause ist.“
Wildes Verhalten beibehalten
Damit Neil weiterhin sicher ist, ist nicht nur die tasmanische Polizei im Einsatz. Auch die Behörden halten seit Monaten ein Auge auf das gesellige Tier. „Wir freuen uns, dass Sie Neil cool finden, und wir finden das auch“, hieß es beispielsweise vonseiten des Marine Conservation Program, eine in Hobart ansässige Regierungsbehörde, auf Facebook. „Was aber nicht cool ist, ist, dass Leute die Robbe belästigen und berühren.“
Neil scheine sich von Menschen nicht gestört zu fühlen, und einige Leute würden deswegen vielleicht denken, dass das Streicheln eines wilden Tieres gute Social-Media-Inhalte produziere. „Aber wilde Tiere sind unberechenbar und könnten gefährlich sein, wenn sie belästigt werden.“ Die Umweltbehörde wies darauf hin, dass es wichtig sei, dass das Tier sein wildes Verhalten beibehalte, um langfristig zu überleben. „Wir möchten nicht in eine Situation geraten, in der die Sicherheit von Mensch und Tier gefährdet ist.“ Wer Neil sehen wolle, der solle dies in erster Linie im Internet tun. Und wer ihm tatsächlich in seinem Revier über den Weg laufe, der solle einen Abstand von mindestens 20 Meter einhalten. Denn: „Südliche See-Elefanten sind eine bedrohte Art und es ist strafbar, die Tierwelt zu beeinträchtigen.“