Die israelische Armee hat am Sonntag laut eigenen Angaben den bisher größten Hamas-Tunnel im Gazastreifen freigelegt. Der von den Israelis gefundene Tunnel befindet sich nur wenige hundert Meter von einem wichtigen Grenzübergang entfernt und ist so groß, dass kleine Fahrzeuge darin fahren können, wie ein AFP-Fotograf berichtete. Der Tunnel sei Teil eines größeren, verzweigten Netzes, das vier Kilometer lang sei und bis auf 400 Meter an den Grenzübergang Erez heranreiche, teilte die israelische Armee mit. Der Bau des Tunnels habe Millionen Dollar gekostet und mehrere Jahre gedauert, Projektleiter sei Mohamed Jahja gewesen, Bruder des Hamas-Anführers Jahja Sinwar, der als einer der Drahtzieher des Großangriffs der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober gilt.
Die Gänge verfügen über eine Kanalisation, Elektrizität, Lüftung, Abwasserentsorgung und ein Kommunikationsnetz sowie Schienen. Der Boden besteht aus festgestampfter Erde, die Wände sind aus Stahlbeton und der Eingang besteht aus einem Metallzylinder mit eineinhalb Zentimeter dicken Wänden.
Zahlreiche Waffen gefunden
Auf von der israelischen Armee veröffentlichten Aufnahmen, die von Hamas-Terroristen gefilmt worden sein sollen, ist ein kleines Baufahrzeug zu sehen, das in den Tunnel gefahren wird, außerdem ein weitläufiges provisorisches Lager mit Fertigbetonteilen zur Verstärkung der Wände und Bauarbeiter, die mit schwerem Gerät in der Erde graben. Die israelische Armee fand nach eigenen Angaben zahlreiche Waffen in dem Tunnel, die für einen Angriff einsatzbereit gewesen seien.
Die Hamas habe große Ressourcen in das Projekt investiert, sagte Armeesprecher Richard Hecht. Dies habe sie „nur zu einem Zweck“ getan, um „den Staat Israel und seine Bewohner anzugreifen“, sagte er. Der Tunnel sei ganz bewusst in der Nähe des Übergangs Erez im Norden des Gazastreifens gebaut worden, sagte Hecht. Israel nutzt diesen, um palästinensische Arbeiter und andere Reisende zu kontrollieren, die medizinische Hilfe in Israel benötigen. „Für die Hamas haben Angriffe auf das Volk Israels weiter Priorität vor der Bevölkerung von Gaza“, erklärte Hecht weiter.
Tunnel wurde bewusst in Grenznähe gebaut
Das von der israelischen Armee „Gaza Metro“ genannte Tunnel-Labyrinth war ursprünglich gebaut worden, um die israelisch-ägyptische Blockade nach der Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen im Jahr 2007 zu umgehen. Hunderte Tunnel wurden zum ägyptischen Sinai gebaut, durch die Menschen, Waren, aber auch Waffen in den Gazastreifen gelangten.
Seit dem Krieg mit Israel im Jahr 2014 wurde das Tunnelsystem ausgebaut und die Hamas nutzte es immer wieder bei ihren Raketenangriffen. Laut einer Studie der US-Militärakademie West Point gibt es 1300 Tunnel mit einer Gesamtlänge von mehr als 500 Kilometern. Anfang Dezember erklärte die israelische Armee, sie habe mehr als 800 Tunnel entdeckt und 500 davon zerstört. Israelische Medien berichteten kürzlich, die Armee überlege, die Tunnel mit Wasser aus dem Mittelmeer zu fluten, und habe schon erfolgreiche Tests vorgenommen.
Israel und Hamas offen für Feuerpause
Israel und die Hamas sind nach Angaben aus ägyptischen Sicherheitskreisen offen für eine Feuerpause. Ägypten und Katar würden allerdings auf einer Beschleunigung der Hilfslieferungen in den Gazastreifen und der Öffnung des Grenzübergangs Kerem Schalom bestehen, bevor die Verhandlungen beginnen könnten, hieß es am Sonntag von zwei Personen aus dem Sicherheitsapparat in Kairo. Katar hatte bereits vor Wochen einen damals auch umgesetzten einwöchigen Waffenstillstand ausgehandelt.
Video: Gady über den Krieg im Gazastreifen
Außerdem wurde die Freilassung von Geiseln der Hamas beziehungsweise Gefangenen aus israelischen Gefängnissen vereinbart. Die Hamas bestehe darauf, die Liste der freizulassenden Geiseln einseitig festzulegen, und verlange, dass sich die israelischen Streitkräfte hinter vorher festgelegte Linien zurückziehen, sagten die Insider weiter. Israel sei zwar einverstanden, dass die Hamas die Liste festlege, verlange aber einen Zeitplan und die Einsicht in die Liste, bevor es den Zeitpunkt und die Dauer der Waffenruhe festlege. Zudem weigere sich Israel, sich zurückzuziehen. Weder vom Büro des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu noch bei der Hamas war zunächst eine Stellungnahme zu den Angaben erhältlich.