Ein Bild zeigt den freischaffenden Künstler Harvey Ball in seiner Zeichenstube. Er blickt in die Kamera. Nicht der Funken eines Lächelns huscht über seine bleistiftdünnen Lippen. Vor ihm liegt ein Werk für die Ewigkeit, das er – vermutlich unter der drahtigen Schreibtischlampe über ihm – entworfen hat. Der Smiley. Da muss man schon schmunzeln. Der Schöpfer des Smileys, der nicht lacht. Urheberrechtlich schützen ließ Ball seine Zeichnung nie. Wozu auch? Der Smiley war eine Auftragsarbeit für eine US-amerikanische Versicherungsgesellschaft namens „State Mutual Life Assurance Cos. of America“. Bell sollte einen Ansteckbutton für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kreieren, auf dem ein lachendes Gesicht für gute Stimmung sorgt.
45 Dollars für Smiley-Werk
Vor 60 Jahren, lange bevor das Internet, geschweige denn Smartphone-Emojis erfunden waren, wurde somit der ikonische Smiley geboren. Wer hätte erahnen können, dass Balls abstraktes Gesichtchen, bestehend aus zwei Punkten und einer „Klammer“ in einem gelben Kreis, irgendwann der Schlüssel zur menschlichen Gefühlswelt in der digitalen Zukunft sein wird? Sags mir nicht ins Gesicht, sags mir MIT einem Gesicht! Sags mir in Emoji! Aber es ist nicht einfach nur Strich-Arbeit. Es ist große Kunst. Und wenn man ganz genau hinsieht, erkennt man die Handarbeit hinter dem Ur-Smiley. Die Augen sind nicht gleich groß, das Rechte ist etwas größer. Und der Mund ist nicht perfekt gerundet. „Es ist ein Mona Lisa-Mund“, beschreibt es Bill Wallace, Direktor des Worcester Historical Museum in einem BBC-Beitrag.
Doch bereits die Versicherungsgesellschaft, die Bell mit der Arbeit betraute, erkennt das Potenzial des Smileys. Die ersten 100 Anstecker sind im Nu weg. Die Firma bestellt 10.000 weitere. Der Rest ist Geschichte. Bis 1971 werden 50 Millionen der Buttons verkauft. So stattlich die Verkaufszahlen, so bescheiden fällt das Honorar für Ball aus. Er erhält für die Skizze gerade einmal 45 Dollar. Als sich Ball bei Patentanwälten nach seinen möglichen Rechten erkundigt, heißt es, das Design sei mittlerweile gemeinfrei.
Andere verdienen Millionen
Später verdienen andere Unternehmen damit dennoch Millionen von Dollars. Allen voran der französische Journalist Franklin Loufrani, der das gelbe Gesicht als Symbol für positive Nachrichten in der Zeitung „France-Soir“ Anfang der 1970er Jahre zu verwenden beginnt, es beim französischen Patentamt anmeldet und daraus ein Lizenzbusiness aufbaut. Sein Sohn Nicolas führt das Geschäft mit der fremden Idee bis heute als „Smiley Company“ weiter. Er arbeitet nach eigenen Angaben mit mehr als 400 Marken zusammen – darunter Brands wie Eastpak, H&M, Levis, Michael Kors, Moschino. Bei jeder Verwendung klingelt es in der Kasse. „Ich habe die Emoji-Sprache erfunden“, sagt er im Gespräch mit OMR stolz. Allein 2021 verzeichnete das Unternehmen einen Umsatz von 350 Millionen US-Dollar, erstanden aus den Rechten aus mehr als 100 Ländern.
Doch Ball, dieser nicht lachende Smiley-Schöpfer, hegt keinen Groll. In einem Interview sagt der Künstler: „Das hat mich nie gestört. Ich dachte mir, wenn ich die Welt ein bisschen glücklicher mache, ist das in Ordnung.“ Seinen Worten lässt Ball Taten folgen. 1999 gründet er das Unternehmen „World Smile“, das fortan den „World Smile Day“ organisiert und ruft die Harvey-Ball-Stiftung ins Leben, die sich unter dem Motto „Tu etwas Gutes - hilf einer Person zu lächeln“ für das Wohlergehen von Kindern einsetzt.
Der älteste Smiley existierte vor Jesus Christus
Der typische gelbgesichtige Smiley, der in den 1980ern als Symbol auf Ecstasy-Tabletten in verschwitzten Acid-House-Clubs landet, in den 90ern von Nirvana als „Maskottchen“ auf Plakate für das anstehende „Nevermind“-Album gedruckt wird und uns heute auf Schritt und Tritt am Handy als Emoji verfolgt, wurde vor 60 Jahren geboren. Typografische Vorläufe finden sich aber bereits im 2. Jahrtausend vor Christus. So fand der Archäologe Nicolo Marchetti 2017 im türkischen Karkamis einen 4000 Jahre alten Tonkrug aus der Zeit der Hethiter. In dem Gefäß sei süßer Fruchtsaft gelagert worden, erklärte Marchetti. Da kann man schon einmal lächeln.
Auch kam das Spielen mit Doppelpunkten und Klammern bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf. Beispiele liefert das „Kreisblatt für den Kreis Malmedy“ – am 2. September 1893 findet sich ein Artikel zu „Setzerscherzen“ (Setzer war ein Beruf im Druckergewerbe). „Als ein Beispiel, wie man aus einfachen Linien und Klammern das Bild eines menschlichen Gesichtes herstellen und dieser Physiognomie sogar verschiedenen Ausdruck verleihen kann“, heißt es da. Und bereits 1862 wurden Leserinnen und Leser der „New York Times“ in einem Artikel zu einer Rede von Präsident Abraham Lincoln mit einem „Smiley“ also einem „;)„ konfrontiert. Die Stelle lautete: „(applause and laughter ;)“ und bezog sich auf die Reaktion des Publikums bei der Rede. Ob es bewusstes Augenzwinkern oder doch ein Tippfehler, ist nicht abschließend geklärt.