SPÖ-Chef Andreas Babler will Wahlärzte dazu verpflichten, auch Patienten nach Kassentarif zu behandeln, wenn es für diese keinen Facharzttermin im öffentlichen Gesundheitssystem gibt. Damit soll die von der SPÖ geforderte Garantie auf einen Termin bei einem Facharzt innerhalb von zwei Wochen sichergestellt werden, wie Babler am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien erklärte. Dafür soll es einen Rechtsanspruch über ein „Behandlungssicherungsgesetz“ geben.
Auch Wahlärzte – also Ärzte ohne Kassenvertrag – sollen einen fairen Beitrag zur öffentlichen Gesundheitsversorgung leisten, vergleichbar mit Rechtsanwälten, die Verfahrenshilfefälle annehmen, argumentiert die SPÖ ihren Vorschlag. Die gesetzliche Verpflichtung von Wahlärzten soll dabei aber nur im „Notfall“ und als „ultima ratio“ eingesetzt werden, betonte Babler, dem ein schrittweises Modell vorschwebt.
Zunächst soll es für Wahlärzte die Möglichkeit einer vertraglichen Selbstverpflichtung geben. Reicht dies nicht, sollen Wahlärzte gesetzlich zur Behandlung von Patienten nach dem Kassentarif verpflichtet werden. Konkret schwebt der SPÖ eine verpflichtende Behandlungsquote von rund zehn Prozent ihrer Patientinnen und Patienten vor. Das würde nach Berechnungen der SPÖ rund 200.000 Konsultationen pro Jahr entsprechen. Sollten sich Wahlärzte weigern, würde ihnen die Möglichkeit genommen, Rechnungen zu stellen, für die es einen teilweisen Kostenersatz von der Sozialversicherung gibt.
Gesundheitsökonom Pichlbauer verwundert
Der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer hält den Plan für „absurd“. Nicht einmal Kassenärzte könne man zwingen, Patienten zu behandeln, sagt er. Auch die Frage der Voraussetzungen stellt ihn vor ein Rätsel: „Wie wird das festgelegt und geprüft? Reicht es, zum Wahlarzt zu gehen und zu sagen, dass man keinen Kassenarzt gefunden hat“? Die SPÖ will das wie folgt regeln: Zunächst sollen Patienten, die keinen Facharzttermin finden, über die Gesundheitshotline 1450 einen Termin vermittelt bekommen. Gelingt dies nicht, müssten Erstversorgungszentren in den Spitälern oder der Sozialversicherung einspringen. Erst wenn diese Möglichkeiten alle ausgeschöpft sind, sollen Wahlärztinnen und Wahlärzte in die Pflicht genommen werden.
Dass es mitunter schwierig ist, einen zeitgerechten Termin bei Fachärzten zu bekommen, hängt laut Pichlbauer vor allem mit der hohen Nachfrage nach Fachärzten in Österreich zusammen. „Wir haben die höchste Facharzt-Inanspruchnahme in Europa. Und zwar mit deutlichem Abstand.“
Welche Therapie wird bezahlt?
Ein weiterer Aspekt: Das Wahlarztsystem diente ursprünglich auch dazu, Therapien anzubieten, die das Kassensystem ablehnt. Ein Blick in die Datenbank der Wiener Ärztekammer zeigt etwa, dass weit mehr Medizinerinnen und Mediziner ohne Kassenvertrag über Diplome in Homöopathie und Chinesischer Medizin verfügen als Vertragsärzte. Laut Pichlbauer habe sich diese Trennung aber weitgehend aufgelöst. „Niemand hat sich darum gekümmert.“
Erst 2021 hat die Österreichische Gesundheitskasse homöopathische Behandlungen aus ihrem Katalog gestrichen. In Deutschland ist gerade SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach bestrebt, derartige Therapien aus dem Kassenbereich zu streichen. Bietet der Vorschlag Bablers eine Hintertür? Nein, heißt es aus der SPÖ. Abgerechnet dürften auch von Wahlärzten nur Leistungen, die von der Kasse erstattet werden.
Für die Neos geht der Ansatz in die falsche Richtung. „Babler will die Ärztinnen und Ärzte unter Druck setzen, dabei sind es die Kassen, die ihren Versorgungsauftrag nicht erfüllen“, sagte Gesundheitssprecherin Fiona Fiedler. Nicht die Wahlärzte dürften für das „Versagen der Kassen“ büßen. Auch die FPÖ kann mit der Idee nicht viel anfangen und verortet deren Ursprung in der „marxistischen Gesinnung“ des SPÖ-Chefs. Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak forderte in einer Aussendung, Wahlärzte auf Basis der Freiwilligkeit in das Kassensystem einzubinden. Gleichzeitig soll das „Doppelbeschäftigungsverbot“ aufgehoben werden, wodurch ein Arzt nicht gleichzeitig Wahl- und Kassenarzt sein könne.