Fassungslosigkeit herrscht auch am Donnerstag in der 3800-Einwohner-Gemeinde St. Marein bei Graz. Am späten Mittwochnachmittag wurden beim Spielen in einem Wald zwei Kinder durch einen Erdrutsch verschüttet. Ein Fünfjähriger konnte nur mehr tot geborgen werden.

Laut Polizei war eine Frau mit vier Kindern im Wald spazieren, zwei davon waren ihre eigenen. Mit dabei waren auch zwei Freunde, die auf Besuch waren. Gegen 17 Uhr lösten sich rund 100 Kubikmeter an Erdreich und verschütteten einen fünfjährigen Buben vollständig, ein zweites Kind teilweise. „Das ist ein geschätztes Gewicht von 200 Tonnen“, sagt Johannes Matzhold, Bereichsfeuerwehrkommandant in Feldbach.

Nahe der Unglücksstelle brennen erste Kerzen, der Bereich wurde von der Behörde abgesperrt
Nahe der Unglücksstelle brennen erste Kerzen, der Bereich wurde von der Behörde abgesperrt © KLZ / Julia Schuster

Erdrutsch

Die Polizei musste daher Suchhunde einsetzen, um den verschütteten Buben (er war zu Besuch) zu finden. Das gelang ersten Angaben zufolge erst nach einer knappen Stunde; er wurde in zwei Metern Tiefe gefunden. Das zweite Kind (7) wurde mit Verletzungen unbestimmten Grades mit dem Rettungshubschrauber C17 in die Kinderklinik nach Graz geflogen. „Er wurde leicht verletzt“, hieß es am Donnerstag aus dem LKH. Die beiden anderen Kinder, die nicht verschüttet waren, blieben körperlich unverletzt.

Der Grund für die Tragödie dürfte das feuchte Erdreich gewesen sein, bedingt durch den tagelangen Starkregen in weiten Teilen der Steiermark, wie man beim steirischen Katastrophenschutz vermutet. Am Donnerstag konkretisierte Christian Karner vom Bereichsfeuerwehrverband Feldbach im Gespräch mit der Kleinen Zeitung: „Passiert ist der tragische Vorfall im Wald im Nahbereich der Gemeindestraße, aufgrund der Topografie gibt es dort einen steilen Hang.“ Zum folgenschweren Erdrutsch: Das Erdreich sei aus einer „Wand“ bei einer Abbruchkante herausgekommen.

Ehemaliger Sandabbau

Dem Geologen Martin Schröttner vom Amt der Landesregierung zufolge ging der tödliche Erdrutsch an einer von einem länger zurückliegenden Sandabbau betroffenen Hang ab. Die Unglücksstelle liegt im Bereich einer Steilstufe im Hang. „Es ist quasi eine Sandgrube, eine Mulde im Hang. Die höchsten Wandausbildungen liegen bei fünf bis sechs Metern, am Ende liegen sie teilweise senkrecht vor.“ An der Böschungskrone gäbe es alte Bäume mit überhängendem Wurzelwerk und einer Humusschicht, der überhängende Bereich ist bis zu 70 cm stark. An der Unglücksstelle sei wegen der Gefahr von Nachrutschungen derzeit keine sichere Arbeit möglich. „Während der Begehung am Mittwoch ist es zu kleineren Nachbrüchen gekommen, auch Sand ist permanent heruntergerieselt. Der Bereich ist für sicheres Arbeiten nicht zugänglich“, so Schröttner. Die Absperrungen rund um den Unglücksort würden daher ausgeweitet, „um eine weitere Gefährdung bei Nachbrüchen zu verhindern“. Insgesamt wurden in der Steiermark seit Samstag 116 Hangrutschungen gemeldet.

Kriseninterventionsteam vor Ort

Die Angehörigen werden von den Kriseninterventionsteams (KIT) des Landes und des Roten Kreuzes betreut, der ganze Ort steht unter Schock. Laut Bürgermeister Franz Knauhs ist am Donnerstag ein KIT in jenem Kindergarten aktiv, den der Bub besucht hat. Die Kindergartenpädagogin war selbst als Feuerwehrfrau im Einsatz und kämpfte bei der Suche um das Leben des Buben.

Mit Händen und Schaufeln gegraben

Auch für Feuerwehr, Rettung und Polizei war der Einsatz „besonders belastend. Da geht es um jede Sekunde und gleichzeitig mussten wir den Einsatzort absichern, um uns selbst nicht zu gefährden“, so Thomas Meier, Sprecher des Landesfeuerwehrverbandes. „Wir haben mit Händen und Schaufeln gegraben und alles gegeben“ so Christian Karner, Pressebeauftragter des Bereichsfeuerwehrverbandes Feldbach. Er und seine Kollegen können auch das Kriseninterventionsteam in Anspruch nehmen.

140 freiwillige Feuerwehrleute von insgesamt neun Feuerwehren waren dabei, mehrere Feuerwehrdrohnen kamen zum Einsatz; das Rote Kreuz war mit zwei Rettungswagen vor Ort, auch drei Hubschrauber standen bereit. Mit der Polizei waren es gesamt 160 Einsatzkräfte. Noch am Abend traf sich ein Teil von ihnen im Rüsthaus der Feuerwehr Petersdorf II. Dort wurde eine kleine Andacht für den verstorbenen Buben abgehalten.

Bürgermeister Franz Knauhs ist schwer mitgenommen: „Es fehlen einem die Worte. Es ist unfassbar, was passiert ist. Wir haben alles gegeben und mit Händen und Schaufeln gegraben. Man denkt als Mensch, als Vater, als Großvater – es ist einfach tragisch.“ Auch Bereichsfeuerwehrkommandant Matzhold ist gezeichnet: „In den vergangenen Tagen und Wochen waren steiermarkweit fast 7000 Feuerwehrmänner und -frauen im Einsatz, und es ist dort eigentlich niemand zu Schaden gekommen. Und heute werden wir zu einem Einsatz gerufen, wo es heißt, dass zwei Kinder verschüttet sind. Das ist das Ärgste, was man sich in seinem Feuerwehrleben vorstellen kann.“

Landeshauptmann vor Ort

Gestern ist auch Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) vor Ort eingetroffen. „Es war ein ganz beherzter Einsatz. Leider ist es sich für den einen Buben nicht ausgegangen. Danke den Einsatzkräften, wir sollten alle an die Familie denken“, sagt Drexler.