Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Montag die von der russischen Besatzung befreite Stadt Cherson im Süden des Landes besucht. "Wir kommen voran", sagte er vor Soldaten vor einem Verwaltungsgebäude, an dem sich zahlreiche Zivilisten mit ukrainischen Fahnen versammelt hatten. "Wir sind bereit für den Frieden, für Frieden für unser gesamtes Land." Selenskyj betonte zudem, vor allem die Lieferung von US-Raketen habe einen großen Unterschied gemacht.
Die Reaktionen der Bevölkerung auf die Ankunft der ukrainischen Truppen in Cherson sprächen für sich, sagte Selenskyj. "Ihre Reaktionen sind nicht gestellt", betonte er. Seit Freitag begrüßen die Menschen in der Stadt die einrückenden ukrainischen Soldaten teils frenetisch. Die russischen Streitkräfte hatten sich zuvor auf das östliche Ufer des Flusses Dnipro zurückgezogen. Es war die bisher schwerste Niederlage für Russland seit Beginn des Angriffskriegs am 24. Februar. Cherson ist eine von vier ukrainischen Regionen, die die Regierung in Moskau völkerrechtswidrig annektiert und zum Teil des Staatsgebiets der Russischen Föderation erklärt hat.
400 Fälle von Kriegsverbrechen
Nach Angaben Selenskyjs haben Ermittler in den zurückeroberten Teilen der Region Cherson bisher bereits mehr als 400 russische Kriegsverbrechen aufgedeckt. Es seien Leichen von Soldaten und Zivilisten gefunden worden. Weiter sagte er in seiner allabendlichen Video-Botschaft am Sonntag, es würden russische Soldaten und Söldner festgenommen. In 226 Ortschaften mit insgesamt über 100.000 Einwohnern sei der Rechtsstaat wiederhergestellt worden. Reuters sprach mit Anrainern, die die russische Besatzung erlebt haben. Ihren Berichten zufolge wurden Zivilisten getötet und verschleppt. Russland weist solche Vorwürfe zurück.
Das ukrainische Verteidigungsministerium teilte am Sonntagabend mit, in den vergangenen Tagen seien 179 Ortschaften und 4500 Quadratkilometer entlang der Küste des Dnipro im Süden des Landes zurückerobert worden. Der Generalstab erklärte, im Osten in Lukansk und Donezk würden die schweren Kämpfe fortgesetzt. In beiden Regionen seien in den vergangenen 24 Stunden mehrere russische Angriffe abgewehrt worden.