An diesem Morgen ist Washington ratlos – und führerlos, zumindest das Repräsentantenhaus. In der unteren Kammer des Kongresses, wo die Republikaner die (knappe) Mehrheit haben, wurde deren Sprecher Kevin McCarthy gestürzt. Es waren die Demokraten, die McCarthy abwählten, aber mit den Stimmen von acht republikanischen Rechtsabweichlern unter der Führung von Matt Gaetz, den die "Washington Post" "Trump's Mini-Me" nennt.
Ein Kompromiss mit Folgen
Die Hardliner nehmen es McCarthy übel, dass er am Sonntag mit den Demokraten einen Nothaushalt für 45 Tage beschlossen hat. Die Rechtspopulisten, die auf die Tea-Party-Bewegung von 2010 zurückgehen, wollen keine Kompromisse, sie wollen die Politik in Washington grundsätzlich desavouieren. Und sie haben einen substanziellen Teil der Wähler hinter sich. Die "Washington Post" warnt daher bereits vor einem "Regieren durch Chaos", während die "New York Times" von einer "unregierbaren republikanischen Partei" schreibt.
Es gibt mit Patrick T. McHenry aus North Carolina, dem bisherigen Stellvertreter von McCarthy, zwar einen provisorischen Sprecher. Der hat aber nur eingeschränkte Machtfunktionen. Nachdem McCarthy selbst nicht mehr antreten will, wird Jim Jordan, der einflussreiche Abgeordnete aus Ohio, als möglicher Nachfolger gehandelt. Ein Teil der Rechtsabweichler – darunter Marjorie Taylor Greene aus Georgia – will allerdings den früheren Präsidenten Donald Trump als Sprecher nominieren. Sie schrieb auf der Plattform X, Trump sei der einzige Kandidat, den sie derzeit unterstützen würde. Trump ist zwar gar kein Abgeordneter, aber rechtlich wäre das möglich.
Die Geldfrage
Wahrscheinlich ist es allerdings nicht. Nicht nur hätte Trump keine Mehrheit, denn nicht alle Republikaner wollen den New Yorker Immobilientycoon im Büro neben sich haben. Der Posten besteht zudem hauptsächlich aus Verwaltungs- und Verhandlungsarbeit und Trump hat genug damit zu tun, sich in nun vier Prozessen vor Gericht zu verteidigen. Diese Woche begann das Verfahren um seine Immobilien, die er womöglich aus steuerlichen Gründen zu niedrig bewertet hat.
Bereits McCarthys Wahl vor nur neun Monaten war eine schwere Geburt. Der rechte Flügel der Republikaner ließ ihn ein Dutzend Mal durchfallen. Schließlich wurde er doch Sprecher, aber nur mit vielen Zugeständnissen, etwa dass seine eigene Fraktion ihn jederzeit abwählen darf. Dass dies in einem Moment geschieht, wo er zum ersten Mal versucht hat, konstruktiv zu sein, hat eine gewisse Ironie.
Ein Mindestmaß an Konstruktivität wird aber auch jetzt dringend benötigt. Denn ohne einen Haushalt werden Bundesbedienstete, auch aktives Militär, nicht bezahlt. Auch Firmen, die aus Bundesmitteln beauftragt werden, bekommen kein Geld. Nationalparks müssen schließen, neue Infrastrukturprojekte können nicht angefangen werden. Ebenso auf Eis liegt zugesagte Militärhilfe für die Ukraine – derzeit sechs Milliarden Dollar. Es gibt zwar noch laufende Mittel für die Regierung in Kiew aus vorherigen Beschlüssen, aber das ist keine Dauerlösung.
Der zweite große Streitpunkt ist die Grenzsicherung. Derzeit kommen täglich Tausende von Immigranten über die Grenze. Die Hardliner um die Gouverneure von Florida und Texas fordern, dass die Grenzmauer, die bereits in Teilen existiert, fertig gebaut wird. Das ist vor allem eine Geldfrage. Und selbst wenn die Mittel bereitstünden, würde das Jahre dauern. Auch die Demokraten erkennen, dass das ein Problem ist, sie wollen es sich aber nicht mit den Latinos an ihrer Basis verderben.
Eva Schweitzer (New York)