Der kosovo-serbische Spitzenpolitiker und Geschäftsmann Milan Radoičić hat sich zum Überfall eines bewaffneten Kommandotrupps im Nord-Kosovo vor fünf Tagen bekannt. "Ich habe mich zu dieser Tat entschieden, weil alle bisher angewandten Widerstandsmethoden keine Verbesserung des Lebens des serbischen Volkes (im Kosovo) brachte", schrieb er in einer Erklärung, die sein Anwalt am Freitag vor der Presse in Belgrad verlas.
Die Nato kündigte am selben Tag an, die von ihr geführte Schutztruppe KFOR im Kosovo zu verstärken. Das heute fast ausschließlich von Albanern bewohnte Kosovo hatte sich 1999 mit Nato-Hilfe von Serbien abgespalten und 2008 für unabhängig erklärt. Mehr als 100 Länder, darunter Deutschland, erkennen die Unabhängigkeit an, nicht aber Serbien, das seine einstige Provinz zurückfordert.
Kämpfe mit kosovarischer Polizei
Am vergangenen Sonntag hatte ein 30-köpfiger, schwer bewaffneter serbischer Kommandotrupp in der Ortschaft Banjska bei Mitrovica Stellung bezogen und sich Kämpfe mit der kosovarischen Polizei geliefert. Dabei waren drei serbische Angreifer sowie ein kosovarischer Polizist getötet worden. In seiner Erklärung behauptete Radoičić, die Aktion auf eigene Faust ausgeführt und keine offiziellen Stellen in Serbien darüber informiert zu haben. Zugleich teilte er mit, als Vize-Vorsitzender der Serbischen Liste, der Partei der Kosovo-Serben, zurückzutreten.
Der Aufenthaltsort von Radoičić ist unbekannt. Nach Angaben des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić befindet er sich in Serbien. In der Vergangenheit hatte Vučić über Radoičić und die Serbische Liste die Politik der Kosovo-Serben bestimmt. Er werde sich den serbischen Behörden für Befragungen zur Verfügung stellen, kündigte Radoičić in seiner Erklärung an.
Ziel der Aktion sei es gewesen, die Serben im Kosovo dazu zu ermutigen, "sich dem Terror des Kurti-Regimes zu widersetzen". Die Regierung des kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti verfolge die Serben im Kosovo, um das Land "ethnisch zu säubern". "Wir sind keine Terroristen, sondern Kämpfer für unser eigenes Volk."
Die Regierung in Pristina hält es für ausgeschlossen, dass Radoičić auf eigene Faust handelte. Die kosovarische Polizei stellte im Anschluss an die Kämpfe zum Teil fabrikneue, schwere Waffen wie Granatwerfer und Panzerabwehrrohre sowie militärische Fahrzeuge sicher. Diese stammten direkt aus den Arsenalen der serbischen Armee, hieß es.
Zusätzliche Soldaten für Schutztruppe
Der Nordatlantikrat, das wichtigste Entscheidungsgremium der Organisation, genehmigte die Entsendung zusätzlicher Streitkräfte in das kleine Balkanland, wie das Bündnis am Freitag in Brüssel mitteilte. Über die Zahl der zusätzlichen Soldaten machte es keine Angaben.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnte die Verstärkung von Großbritannien gestellt werden. Das Verteidigungsministerium in London hatte erst vor wenigen Monaten mitgeteilt, dass das Vereinigte Königreich noch bis mindestens 2026 einen "entscheidenden Beitrag" zur Schutztruppe leisten wolle.
Die KFOR ist seit 1999 für die Gewährleistung der Sicherheit in dem Land zuständig. Derzeit gehören ihr nach jüngsten Angaben etwa 4500 Soldaten aus insgesamt 27 Nato-Ländern und Partnerstaaten an. Das österreichische Bundesheer ist zurzeit mit 275 Personen im KFOR-Kontingent vertreten, das insgesamt 3800 Kräfte umfasst.
Bereits im Mai hatte das Bündnis eine Aufstockung seiner Präsenz im Kosovo um 700 Mann beschlossen. Damit hatte es auf schwere Ausschreitungen serbischer Mobs gegen KFOR-Soldaten im Nord-Kosovo reagiert. Damals hatten 30 italienische und ungarische Soldaten sowie mehr als 50 Serben Verletzungen erlitten.
Großer serbischer Militäraufmarsch an Grenze zu Kosovo
Die US-Regierung beobachtet nach eigenen Angaben einen "großen" serbischen Militäraufmarsch an der Grenze zum Kosovo. Es beinhalte ein "beispielloses" Aufgebot von Artillerie und Panzern, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Freitag in Washington. "Wir fordern Serbien auf, diese Truppen an der Grenze abzuziehen."
Die US-Regierung sei besorgt über die Situation und beobachte sie seit etwa einer Woche, sagte Kirby. Er bezeichnete das serbische Militäraufgebot an der Grenze als "destabilisierend". Über die Absicht könne er derzeit keine Aussage treffen. Man dränge die Serben auch über diplomatische Kanäle, die Truppen zurückzuziehen.