Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betrachtet eine Wiederherstellung normaler Lebensverhältnisse in der Ukraine als "ideologischen Sieg" über Russland. Das sagte Selenskyj am Mittwoch bei einer Wiederaufbaukonferenz in London, an der auch Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) teilnimmt. Die Augen der Welt seien darauf gerichtet, ob dies der Ukraine mithilfe der Verbündeten gelingen werde. Die Freiheit müsse siegen, so der per Videolink zugeschaltete Selenskyj.

EU und USA versprechen Unterstützung

Zuvor hatten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Außenminister Antony Blinken in ihren Reden die Reformbemühungen des Landes gelobt und die fortwährende Unterstützung der EU und der USA zugesagt. Die EU will eingefrorenes russisches Vermögen für die Unterstützung der Ukraine einsetzen. Dafür werde die EU-Kommission noch vor der Sommerpause einen Plan vorlegen, sagte von der Leyen. Sie fügte hinzu: "Der Täter muss zur Verantwortung gezogen werden."

US-Außenminister Antony Blinken kündigte an, dass sein Land mehr als 1,3 Milliarden Dollar (1,19 Milliarden Euro) zusätzlich zum Wiederaufbau der Ukraine zur Verfügung stellen werde. 520 Millionen Dollar würden in eine Modernisierung des Energienetzes investiert. Nicht zuletzt wegen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms ist die Ukraine auf erheblich mehr Hilfe angewiesen, um die Schäden des Krieges zu beheben.

Bei der Ukraine Recovery Conference am Mittwoch und Donnerstag in der britischen Hauptstadt sollen die Fundamente für den Wiederaufbau des Landes gelegt werden. Im Fokus steht dabei, wie privatwirtschaftliche Unternehmen dazu ermutigt werden können, in dem vom russischen Angriffskrieg gebeutelten Land zu investieren.

Auf der Tagesordnung steht etwa das Thema Investitionsgarantien, mit denen das Risiko für Unternehmen von staatlicher Seite reduziert werden kann. Kiew soll aber auch in die Pflicht genommen werden, Reformen durchzuführen, um beispielsweise die Korruption in dem Land in den Griff zu bekommen und mehr Transparenz zu schaffen. Blinken mahnte Kiew am Dienstag bei einem Treffen mit seinem britischen Amtskollegen James Cleverly in London, die demokratischen Institutionen in dem vom russischen Angriffskrieg gebeutelten Land zu stärken. Er sagte dafür auch die Unterstützung der USA und weiterer Verbündeter zu.

Schallenberg trifft ukrainischen Amtskollegen

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg wollte am späten Nachmittag (MESZ) bei der Konferenz das Wort ergreifen. Am Rande der Veranstaltung waren auch Gespräche Schallenbergs mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba, dem neuen türkischen Chefdiplomaten Hakan Fidan sowie dem moldauischen Vizepremier und Außenminister Nicu Popescu geplant.

Schallenberg sagte am Mittwoch gegenüber österreichischen Journalisten, dass Österreich schon in der Vergangenheit unter den Top-Sechs-Investoren in der Ukraine gewesen sei. "Die Ukraine war immer ein wichtiger Markt für uns. Natürlich ist unser wesentliches politisches Ziel jetzt, dass möglichst bald die Waffen ruhen und wieder Frieden einkehrt, aber wir wollen auch beim Wiederaufbau helfen." Schallenberg sprach auch von einer "Chance" für die österreichische Industrie sowie die Export- und Energiewirtschaft, "dass wir dort auch entsprechend Fuß fassen und beim Wiederaufbau präsent sind".

1000 Regierungsvertreter bei Konferenz

Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass es sich noch "um ein Kriegsgebiet" handle: "Das ist sicher eine Premiere: Normalerweise wartet man ab, bis zumindest ein Waffenstillstand herrscht, bevor man über den Wiederaufbau redet, aber für uns ist das so wichtig, dass wir auch dieses politische Hoffnungssignal geben, letztlich auch an die Menschen in der Ukraine. Ja, Europa wird euch zur Seite stehen, ja, auch die österreichische und die europäische Wirtschaft wird beim Wiederaufbau helfen."

An der von der Ukraine und Großbritannien ausgerichteten zweitägigen Konferenz nehmen mehr als 1000 Regierungsvertreter aus 61 Ländern sowie Investoren und Unternehmen teil. Es ist die zweite Konferenz dieser Art. Sie zielt vor allem auf private Investitionen für den Wiederaufbau ab.